Kirchenrechtler Schüller übt heftige Kritik an Ratzinger

Als historische Zäsur sieht der Münsteraner Kirchenrechtler Thomas Schüller das jüngste Münchner Missbrauchsgutachten.
Düsseldorf – Als historische Zäsur sieht der Münsteraner Kirchenrechtler Thomas Schüller das jüngste Münchner Missbrauchsgutachten. Mit seiner Stellungnahme zu dem Gutachten habe Joseph Ratzinger "die letzte Chance verspielt, reinen Tisch zu machen mit seiner Verantwortung als Erzbischof von München und Freising für seine Vertuschung von Sexualstraftaten", sagte Schüller der Düsseldorfer "Rheinischen Post" (Freitag).

Thomas Schüller (Foto: WWU/Benedikt Weischer)

Als historische Zäsur sieht der Münsteraner Kirchenrechtler Thomas Schüller das jüngste Münchner Missbrauchsgutachten. Mit seiner Stellungnahme zu dem Gutachten habe Joseph Ratzinger “die letzte Chance verspielt, reinen Tisch zu machen mit seiner Verantwortung als Erzbischof von München und Freising für seine Vertuschung von Sexualstraftaten”, sagte Schüller der Düsseldorfer “Rheinischen Post” (Freitag).

Schüller: Gutachten überführt Benedikt der Unwahrheit

Nach den Worten Schüllers überführt das Gutachten Benedikt “der Unwahrheit”. Es zeige, dass er “zum einen alles über den Essener Priester H. gewusst, über dessen Seelsorgeeinsatz entschieden hat und bei der entscheidenden Sitzung anwesend war”. Für Schüller, der Direktor am Institut für Kanonisches Recht der Universität Münster ist, hat Benedikt XVI. damit “die bekannte Karte des Vergessens und Nicht-gewusst-Habens” gespielt. Damit habe “ein ehemaliger Papst die Axt an die Kirche gelegt” und demaskiere sie “als korrumpierte amoralische Institution”.

In dem besagten Fall geht es um einen pädophilen Priester des Bistums Essen, der 1980 – zu Zeiten von Erzbischof Ratzinger – in die Erzdiözese München-Freising aufgenommen wurde. Er sollte dort eine Therapie machen. Der Priester zog nach Bayern, war dort bald wieder als Seelsorger tätig und missbrauchte später erneut Kinder. Obwohl ihn 1986 ein staatliches Gericht verurteilte, setzte ihn Ratzingers Nachfolger Wetter 1987 an anderer Stelle ein, wiederum wurde er dort zum Täter. Erst 2010 wurden ihm alle Priestertätigkeiten entzogen. Insgesamt soll Priester Peter H. mindestens 28 Minderjährige sexuell missbraucht haben.

Sein Lebenswerk zerstört

Schüller meint, dass “Josef Ratzinger damit sein Lebenswerk zerstört hat”. Er füge “der katholischen Kirche und vor allem dem Papstamt einen irreparablen Schaden zu”. Ähnliches gelte für Kardinal Friedrich Wetter, der zu Protokoll gegeben habe, bis 2010 nichts von den seelischen und körperlichen Folgen von Opfern sexualisierter Gewalt gewusst zu haben.

Schüllers Fazit: “Die kultivierte Verantwortungslosigkeit hoher kirchlicher Würdenträger und ihre fehlende Empathie mit den Opfern, die ihnen in ihrem Leid schlicht egal sind, bei gleichzeitig mit fast schon mit krimineller Energie praktiziertem Täterschutz sind der eigentliche Skandal.” Niemand übernehme Verantwortung, die Opfer sexualisierter Gewalt blieben allein mit ihrem sie lebenslang verfolgenden Trauma.

kna

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