Am früheren Internat Albertinum des Bistums Trier haben viele Jungen laut einer unabhängigen Studie körperliche und psychische, manche auch sexualisierte Gewalt erlebt.
Trier – Am früheren Internat Albertinum des Bistums Trier haben viele Jungen laut einer unabhängigen Studie körperliche und psychische, manche auch sexualisierte Gewalt erlebt. In dem am Freitag in Trier vorgestellten Abschlussbericht heißt es: „Die Ergebnisse der Aufarbeitung lassen keinen Zweifel daran, dass Gewalt während des Aufenthalts im Internat Albertinum Gerolstein zentraler Bestandteil des Alltags vieler Jungen war.“ Dazu schilderten 54 Betroffene in Interviews oder schriftlich ihre Erlebnisse, außerdem einige Beschäftigte des Internats. Bischof Stephan Ackermann sagte, die persönlichen Schilderungen hätten ihn schmerzlich berührt und beschämt.
Aufarbeitungsprojekt startete im Herbst 2019
Der Bericht nennt zwölf Beschuldigte. Dazu zählen alle drei langjährigen Direktoren, die Priester waren, außerdem neun Mitarbeiter des Internats. Sie sollen körperlich und psychisch Gewalt ausgeübt haben. Vier Mitarbeiter, darunter die drei Priester, sollen sexuelle Gewalt ausgeübt haben. Berichtet wird beispielsweise über Schläge auf den ganzen Körper, die „gezielte Zufügung von Schmerzen unter Inkaufnahme von Verletzungen“, Demütigungen vor anderen, Einsperren über längere Zeit sowie sexuelle Übergriffe und Missbrauch etwa beim Duschen oder in Form von Berührungen.
Das bischöfliche Jungen-Internat im rheinland-pfälzischen Gerolstein bestand von 1946 bis 1983. Das Aufarbeitungsprojekt startete im Herbst 2019. Anlass waren Berichte ehemaliger Schüler zu Gewalterfahrungen am Albertinum. Das Bistum Trier finanzierte das Projekt, die Leitung liegt bei der Erziehungswissenschaftlerin Claudia Bundschuh und der Rechtsanwältin Bettina Janssen.
Bericht: Internat unzureichend kontrolliert
Laut dem Bericht hat das Bistum als Träger das Internat vernachlässigt und unzureichend kontrolliert. Bei dem Internat habe es sich um ein geschlossenes System gehandelt, Kontakt der Jungen zu anderen sei unterbunden worden. Dadurch sei den Jungen erschwert worden, „korrigierende Erfahrungen“ zu machen. Einige erlebten in der Folge Einsamkeit, Ohnmachtsgefühle, Angst, Selbstzweifel, teilweise Suizidgedanken, Depressionen, Suchterkrankungen. Manche kämpften bis heute mit dem Erlebten.
Bischof Ackermann sagte, der Bericht lasse keinen Zweifel, dass die Geschichte des Hauses eine „ununterbrochene Gewaltgeschichte gewesen ist“. Das Bistum habe das Internat stiefmütterlich behandelt, vernachlässigt und als bischöfliches Konvikt „zweiter Klasse“ behandelt. Es habe an wirksamer Aufsicht und Engagement gefehlt. Er wolle mit Betroffenen das Gespräch suchen, um eine einrichtungsspezifische Lösung in Anerkennung des erlittenen Leids zu finden, die alle erlebten Formen von Gewalt einbeziehe.
Den Angaben zufolge empfinden viele Betroffene die Aufarbeitung als zu spät. Manche wünschten sich, dass die Beschuldigten für ihre Gewalttaten noch bestraft werden könnten; andere ein ehrliches Bedauern relevanter Akteure der katholischen Kirche. Der Lenkungsausschuss empfiehlt dem Bistum unter anderem, Informationen über konkrete Hilfen verständlich und niedrigschwellig für alle Betroffenen von körperlicher, psychischer und sexueller Gewalt zugänglich zu machen. Auch sollte das Verfahren für finanzielle Hilfe vereinfacht werden.