Jurist: Bis Sommer neues kirchliches Arbeitsrecht

Der Tübinger Jurist Hermann Reichold geht davon aus, dass das Arbeitsrecht der katholischen Kirche bis zum Sommer grundlegend überarbeitet wird.
Der Tübinger Jurist Hermann Reichold geht davon aus, dass das Arbeitsrecht der katholischen Kirche bis zum Sommer grundlegend überarbeitet wird

(Foto: Rainer Sturm/pixelio.de

Der Tübinger Jurist Hermann Reichold geht davon aus, dass das Arbeitsrecht der katholischen Kirche bis zum Sommer grundlegend überarbeitet wird. Die entscheidenden Passagen der sogenannten Grundordnung würden dann der Bischofskonferenz „in wesentlich veränderter Form“ als Beschlussvorlage vorgelegt, erklärte Reichold am Montag auf Anfrage. Der Chef der Forschungsstelle für kirchliches Arbeitsrecht der Universität Tübingen berät die beiden großen Kirchen und gilt als bestens vernetzt.

Die Grundordnung ist arbeitsrechtlich die Basis für die rund Dreiviertelmillion Menschen, die bei der katholischen Kirche oder der Caritas beschäftigt sind. Überarbeitet werden müssen laut Reichold vor allem die Artikel 3 bis 5. Darin heißt es etwa, dass Mitarbeitende die „Grundsätze der katholischen Glaubens- und Sittenlehre anerkennen und beachten“ sollten. Für Angestellte in der Seelsorge oder in einer anderen leitenden Rolle wird auch „das persönliche Lebenszeugnis im Sinne der Grundsätze der Glaubens- und Sittenlehre“ erwartet.

Immer wieder zu Streit führen die in Artikel 5 erwähnten „Verstöße gegen Loyalitätsobliegenheiten“, weil damit auch Kündigungen begründet werden können – etwa bei „schwerwiegenden persönlichen sittlichen Verfehlungen“, die ein „erhebliches Ärgernis“ erregen oder die Glaubwürdigkeit der Kirche beeinträchtigen könnten. Das kann bisher etwa eine zivile Wiederheirat nach Scheidung sein oder auch eine homosexuelle Partnerschaft.

Zuletzt mehrten sich die Stimmen, die für eine Liberalisierung dieses Arbeitsrechts warben. Auch beim katholischen Reformvorhaben Synodaler Weg war das kirchliche Arbeitsrecht Thema und der Ruf nach Veränderungen laut.

Verstärkt wurde die Diskussion durch die Initiative #OutInChurch. Im Rahmen der Kampagne hatten 125 queere Menschen über ihre sexuelle Orientierung und geschlechtliche Identität gesprochen. Das englische Wort „queer“ ist eine Sammelbegriff für sexuelle Minderheiten, unter ihnen stellen Menschen mit homosexueller Orientierung die größte Gruppe dar. Bischof Franz Jung gab vergangene Woche eine Garantieerklärung ab, dass Priester und andere Mitarbeitende im Bistum Würzburg keine Konsequenzen aufgrund ihrer sexuellen Orientierung fürchten müssten.

Um die Neufassung der Grundordnung kümmert sich seit Jahren eine Arbeitsgruppe. Laut Medienberichten wollen die deutschen Ortsbischöfe bis Juli eine Entscheidung treffen, der Paderborner Generalvikar Alfons Hardt sprach von Juni. Die Bischofskonferenz berichtete auf Anfrage von Vorarbeiten, die „bereits weit gediehen“ seien, nannte aber keine zeitliche Perspektive.

Notwendig für einen Beschluss ist eine Zweidrittelmehrheit. Die Umsetzung erfolgt dann in den einzelnen Bistümern. Bei der Novellierung 2015 hatten einige Bischöfe die neuen Bestimmungen erst verzögert in Kraft gesetzt. Das Recht der Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften, ihr Arbeitsrecht selbstständig zu regeln, ist im Grundgesetz verankert. 2015 war bereits eine Evaluation des Arbeitsrechts festgelegt werden.

„Es ist dringlich, absolut dringlich“, sagte Kardinal Reinhard Marx bei der Vollversammlung des Synodalen Wegs. „Wir müssen da ran, das dauert zu lange. Die Evaluation sollte nach fünf Jahre passieren“, sagte Marx, der darauf hinwies, dass Kardinal Woelki den Vorsitz der Arbeitsgruppe habe. „Ich habe mehrfach gemahnt, dass da Bewegung reinkommt“, so Marx.

rwm/kna