Soziologe Nassehi kritisiert evangelische Äußerungen zur Friedensethik

Der Münchner Soziologe Armin Nassehi hat Äußerungen der Evangelischen Kirche in Deutschland vor dem Hintergrund des Ukraine-Kriegs kritisiert.
Berlin – Der Münchner Soziologe Armin Nassehi hat Äußerungen der Evangelischen Kirche in Deutschland vor dem Hintergrund des Ukraine-Kriegs kritisiert. Kürzliche Stellungnahmen des Friedensbeauftragten der EKD, Landesbischof Friedrich Kramer, und der ehemaligen EKD-Ratsvorsitzenden Margot Käßmann, seien "auf eine unfassbare Weise naiv", sagte Nassehi am Montagabend in der Katholischen Akademie Berlin.

© Raimond Spekking / (via Wikimedia Commons), Hart aber fair 2019-02-25-5539, CC BY-SA 4.0

Der Münchner Soziologe Armin Nassehi hat Äußerungen der Evangelischen Kirche in Deutschland vor dem Hintergrund des Ukraine-Kriegs kritisiert. Kürzliche Stellungnahmen des Friedensbeauftragten der EKD, Landesbischof Friedrich Kramer, und der ehemaligen EKD-Ratsvorsitzenden Margot Käßmann,Margot Käßmann, seien “auf eine unfassbare Weise naiv”, sagte Nassehi am Montagabend in der Katholischen Akademie Berlin.

Nassehi: „Ist diese Naivität der Beitrag des Religiösen zum demokratischen Dialog?“

Kramer habe “verlauten lassen, dass Atomwaffen das Recht nicht sichern könnten, weil sie das Recht per se brechen”, so der Soziologe. Die Bundesregierung solle deswegen einem Atomwaffenverbotsvertrag beitreten. Ähnlich habe sich Käßmann in einem Radiobeitrag geäußert. “Ist diese Naivität der Beitrag des Religiösen zum demokratischen Dialog?”, fragte Nassehi. “Es gibt wahrscheinlich wenige Akteure, die sich herausnehmen dürfen, in der Öffentlichkeit so zu reden, wie ich es gerade gesagt habe.”

Der Wissenschaftler sprach zur Auftaktveranstaltung des Netzwerks “Religion und Demokratie”. In dem Netzwerk haben sich die Leo-Baeck-Foundation (Berlin), die Eugen-Biser-Stiftung (München), der Lehrstuhl für Fundamentaltheologie und Ökumenische Theologie an der Paris-Lodron-Universität Salzburg und die Katholische Akademie Berlin zusammengeschlossen.

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Die beteiligten Institutionen wollen in den nächsten Jahren nach eigener Darstellung “zentrale Konflikt- und Streitfelder im Verhältnis von Religion und Demokratie” bearbeiten. “Theoretische Grundlegung, praktische Bildungs- und Dialogarbeit und öffentliche intellektuelle Debatte werden aufeinander bezogen, um Konfliktlinien des interreligiösen Gesprächs auszuleuchten”, heißt es in einer Selbstdarstellung des Netzwerks.

Wie viel Religion verträgt die Demokratie?

“Das Verhältnis von Religion und Demokratie ist ein Verhältnis, in dem Sprecher unterschiedlicher Provenienz unterschiedliche Probleme lösen müssen”, betonte Nassehi. So gehe es etwa um die Frage, wie viel Religion die Demokratie vertrage. Das sei “keine simple Frage, weil die Religion aus sich heraus nur schwer demokratisierbar ist”. Die Religionen hätten die Möglichkeit, im Sinne ihrer eigenen Funktion auf Fragilität hinzuweisen.

Die Unverfügbarkeit und der Kontrollverlust seien für sie Tugenden, ebenso wie die Barmherzigkeit. “Das ist die Fähigkeit, mit der Schwäche und nicht der Stärke der Menschen zu rechnen”, so Nassehi. “Wäre man barmherziger in der Pandemie gewesen, hätte man keine Pläne für Leute gemacht, die sie einhalten müssen, aber nicht einhalten können.”

kna

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