Kardinalstaatssekretär Pietro Parolin sieht angesichts eines Wiederauflebens von Isolationismus und Autoritarismus das System der Demokratie derzeit in einer Krise.
Der Chefdiplomat des Papstes hält sich seit Dienstagabend zu einem dreitägigen Besuch in Zagreb auf. Für Donnerstag waren Begegnungen mit Staatspräsident Zoran Milanovic sowie Regierungschef Andrej Plenkovic und eine Rede vor den Abgeordneten des kroatischen Parlaments vorgesehen.
Demokratie aufzubauen sei schwer, sie zu verlieren sehr leicht, zitierte Parolin den zu Jahresbeginn gestorbenen EU-Parlamentspräsidenten David Sassoli. “Kümmert man sich nicht um diesen Schatz, können getarnte Diktaturen wieder auftauchen. Wenn sie ignoriert werden, sei es aus Oberflächlichkeit oder aus anderen Interessen, schlagen sie Wurzeln, und ihr Hauptanliegen wird der Machterhalt und nicht das Gemeinwohl sein”, warnte der Kardinalstaatssekretär.
Zugleich verwies er auf die tiefe Verwurzelung der Kroaten im Glauben, der auch in dunklen Zeiten Hoffnung gebe. In den vergangenen beiden Jahren hätten die Menschen in der “Dunkelheit der Pandemie” gelebt; nun verdunkele auch der Schatten des Krieges das Licht menschlicher Vernunft, so Parolin. In Kroatien hätten die Menschen in jüngster Zeit zudem die Erfahrung zweier verheerender Erdbeben gemacht.
Den vom kroatischen Fernsehen übertragenen Gottesdienst am Mittwochabend feierte Parolin zusammen mit dem Zagreber Erzbischof Kardinal Josip Bozanic und dem kroatischen Bischofskonferenzvorsitzenden Zelimir Puljic. Er fand in einer provisorischen Gottesdienststätte statt, die vor wenigen Tagen im historischen Zentrumsbezirk Kaptol der kroatischen Hauptstadt eröffnet worden war. Die Zagreber Kathedrale ist nach dem Erdbeben vom Dezember 2020 nach wie vor geschlossen.
Die provisorische Kirche unweit der Bischofskirche ist dem seligen Alojzije Stepinac (1898-1960) geweiht. Auch Reliquien des wegen seiner Haltung zum faschistischen Ustascha-Regime im Zweiten Weltkrieg umstrittenen, von der katholischen Kirche in Kroatien aber weithin verehrten Kardinals können dort seit Ende April verehrt werden. In Kroatien hoffen viele auf eine Heiligsprechung von Stepinac und verweisen darauf, dass er Notleidende und Verfolgte insbesondere in der Weltkriegszeit unterstützt habe.
Unmittelbare Anlässe des Zagreb-Besuchs der “Nummer zwei” des Vatikan sind der diesjährige 30. Jahrestag der internationalen Anerkennung Kroatiens und die Unterzeichnung der ersten Grundlagenverträge zur Regelung der gegenseitigen Beziehungen zwischen Kroatien und dem Heiligen Stuhl vor 25 Jahren.