Vertreter aus Kirche und Politik haben vielerorts mit Zustimmung und Erleichterung auf das neue katholischen Arbeitsrecht reagiert.
Bonn – Vertreter aus Kirche und Politik haben vielerorts mit Zustimmung und Erleichterung auf das neue katholischen Arbeitsrecht reagiert. Die Präsidentin des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK), Irme Stetter-Karp, bezeichnete die Reform als „überfälligen Schritt“: „Ich sehe vor allem, dass es pragmatisch möglich ist, Menschen das Leben zu erleichtern. Das ist gut so. Was daraus in der Lehre folgt, steht auf einem anderen Blatt.“ Wer bei der katholischen Kirche arbeitet und in zweiter Ehe oder in einer homosexuellen Partnerschaft lebt, muss künftig nicht mehr mit einer Kündigung rechnen. Die katholischen Bischöfe in Deutschland hatten sich am Dienstag auf den Entwurf eines neuen Arbeitsrechts für die rund 800.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der katholischen Kirche und bei der Caritas geeinigt.
Caritas: Paradigmenwechsel beim Arbeitsmarkt
Die religionspolitische Sprecherin der Grünen-Bundestagsfraktion, Lamya Kaddor, begrüßte einen „wichtigen Schritt hin zu einem inklusiven, fairen und zeitemäßen Arbeitsrecht“, mahnte aber auch weitere Schritte der Gleichstellung von trans- und intergeschlechtlichen Mitarbeitenden an. Die religionspolitische Sprecherin der FDP-Bundestagsfraktion, Sandra Bubendorfer-Licht, sieht in der Reform ein „wichtiges und dringend notwendiges Signal“. Ihr Kollege Thomas Rachel (CDU) sprach von einem „Fortschritt“ und „mehr Rechtssicherheit“.
Die Präsidentin des Deutschen Caritasverbandes, Eva Maria Welskop-Deffaa, sprach von einem „Paradigmenwechsel„. Die Reform sei überfällig gewesen. Entscheidend sei nun, dass die neue Ordnung so schnell wie möglich in allen Bistümern in Kraft gesetzt werde, damit es in ganz Deutschland ein einheitliches Arbeitsrecht gebe. Sie erinnerte aber auch daran, dass sich viele Verantwortliche in der Caritas zusätzlich einen offeneren Umgang mit Fragen des Kirchenaustritts dringend gewünscht hätten. Hamburgs Erzbischof Stefan Heße sieht im neuen Arbeitsrecht „wichtige und notwendige Reformen“. „Ich halte es für sehr wichtig, dass wir so der komplexen Lebenswirklichkeit der Menschen besser Rechnung tragen“, sagte er. Im Erzbistum Hamburg solle die reformierte Grundordnung voraussichtlich im ersten Quartal des kommenden Jahres in Kraft treten. Auch Münsters Bischof Felix Genn will das neue Arbeitsrecht „baldmöglichst“ in Kraft setzen. Die Reform sei ein „wichtiger Schritt“, damit Kirche gerade für die Mitarbeitenden ein „angstfreier Raum“ werde.
Klaus Pfeffer: „Für die römisch-katholische Kirche ist das eine Revolution“
Der Berliner Erzbischof Heiner Koch und Generalvikar Manfred Kollig sehen in der Reform „einen wichtigen und entscheidenden Beitrag auf dem Weg zu einer ‚Kirche ohne Angst'“. Die Neufassung der Grundordnung stärke die katholische Identität einer Einrichtung „durch die Betonung christlicher Organisations- und Führungskultur und durch Vermittlung christlicher Werte und Haltungen“. Der Generalvikar im Bistum Essen, Klaus Pfeffer, bezeichnete die Neuregelung als „großen Fortschritt“. Dass ein kirchenamtliches Papier Vielfalt als Bereicherung bezeichne, „mag in aufgeklärten Ohren selbstverständlich klingen – für die römisch-katholische Kirche ist das eine Revolution“. Er würdigte insbesondere Reformkräfte wie die Initiative #OutInChurch, die die Veränderung „vorangetrieben“ hätten.
Schon bei der letzten Reform des Arbeitsrechts 2015 gab es weitgehende Zustimmung unter den Bischöfen, jedoch auch einige Gegenstimmen. So hatten die Bischöfe von Eichstätt, Passau und Regensburg der Neuordnung zunächst, anders als in den übrigen 24 deutschen Diözesen, nicht umgesetzt. Die katholische Kirche habe erkannt, dass es im Arbeitsrecht primär um rechtliche Fragen und nicht um die Beurteilung der privaten Lebensführung gehe, sagte der Bochumer Arbeitsrechtler Jacob Joussen dem Bonner „General-Anzeiger“ (Mittwoch). Es bleibe jedoch abzuwarten, ob alle Bistümer den Weg mitgehen würden. „Spannend wird sein, wie man die Diskrepanzen zwischen der Lehre, wonach praktizierte Homosexualität Sünde sei, und der Grundordnung der Kirche – sie bleibt der rechtlichen Bewertung entzogen – aushalten wird.“
Verhalten äußerte sich die Initiative #OutInChurch, die die öffentliche Debatte um das kirchliche Arbeitsrecht zu Jahresbeginn maßgeblich angestoßen hatte. Die Neuordnung sei „bestenfalls ein Teilerfolg“, sagte Rainer Teuber von der Steuerungsgruppe der KNA. Zwar werde vielfältige sexuelle Identität nicht mehr als Kündigungsgrund angesehen, zugleich spreche der Text aber weiterhin von einem binären Modell von Mann und Frau. Auch die kirchenfeindliche Betätigung, die künftig einzig als Kündigungsgrund gelten soll, sei offen für Interpretationen, so Teuber. Gerade für Mitarbeitende im pastoralen Dienst blieben Rechtsunsicherheiten bestehen. „Ich hätte mir mehr Mut gewünscht“, sagte er.