Was essen wir zu Weihnachten? Nicht nur in Europa eine Klassiker-Frage. Bei aller Exotik zeigt ein Rundgang: Auch Brauchtum kann ein Migrant sein,
Lima/Rangun – An der peruanischen Küste herrscht an Weihnachten Hochsommer, mit Temperaturen bis 30 Grad. Dennoch lassen sich die Peruaner ihren heißen Kakao an Weihnachten nicht nehmen. Zusammen mit einem Stück Panettone, dem ovalen Hefebrot aus Italien, fehlt er in keinem Haushalt. Wer zu Weihnachten seine soziale Ader entdeckt, organisiert eine „chocolateada“ für arme Kinder, denn: Kein peruanisches Kind soll an Weihnachten ohne Kakao und Panettone sein.
Wer danach noch Hunger hat, isst an Heiligabend einen gebratenen Truthahn mit Apfelmus als Festessen – eine Kopie des Thanksgiving-Mahls aus den USA; den wenigsten Peruanern mit ihren mehrheitlich indigenen Wurzeln ist bewusst, dass ihre kulinarischen Weihnachtstraditionen allesamt importiert sind.
A propos importiert: Die rotweißgestreiften Zuckerstangen gehören zu jedem US-Weihnachtsbaum. Ihr Ursprung ist freilich ungewiss. Die beliebteste Geschichte ist, dass 1670 der damalige Leiter des Kölner Domchors einen Zuckerbäcker gebeten haben soll, Zuckerstangen für die Kinder vom Krippenspiel herzustellen. Das Weiß der Stangen sollte für die Unschuld Jesu stehen – und die gebogene Form an die Schäfer im Krippenspiel erinnern.
So schön die Geschichte ist, so unwahrscheinlich ist sie. Im 17. Jahrhundert waren Krippenspiele in Kirchen verboten. Auch finden sich nirgends schriftliche Belege für die Story. Ein Kirchenbezug ist immerhin erwiesen. 1957 meldete Gregory Keller in den USA die erste industrielle Maschine zur Zuckerstangenherstellung zum Patent an. Und Keller war – katholischer Priester.
Mit den Einwanderern aus allen Teilen der Welt sind auch viele Weihnachtsrezepte in die USA gekommen. Doch ob Rinderbraten, Chili oder Fisch: All das kann den guten alten Truthahn nicht ersetzen. Das Federvieh, das schon vor „Thanksgiving“ (Erntedank) gefährlich lebte, gehört bis heute zum bevorzugten Weihnachtsessen.
Fast noch wichtiger als der Braten selbst ist das „stuffing“ oder „dressing“, also die Füllung des Puters. Jede Familie hat ihr eigenes Rezept: von einfachen Kartoffelfüllungen bis hin zu raffinierten Kreationen aus Schweinemett, Truthahnleber, Maisbrotkrumen und allerlei exotischen Gewürzen. Ein Bostoner Kochschulbuch von 1896 empfiehlt als Vorspeisen eine Muschel- und Austernsuppe und zum Nachtisch Apfelkuchen, Vanille-Waffeln oder den berühmten „Pumpkin Pie“ (Kürbiskuchen).
Schließlich darf zu Weihnachten nicht der „Eggnog“ fehlen – Eierpunsch auf Amerikanisch. Eine Portion für zwölf Personen entsteht aus sechs getrennten Eigelb, 150 Gramm Zucker, einem halben Liter Weinbrand und einem halben Liter Milch: verrührt, kaltgestellt und anschließend mit dem geschlagenen Eiweiß vermischt. In sittenstrengen Haushalten findet das Rezept auch ohne Alkohol Verbreitung.
Thailand ist weltberühmt für seine leckere und manchmal sehr scharfe Küche. Kommt Chili auch im Weihnachtsessen großzügig zum Einsatz? Die Antwort lautet Nein – weil die thailändischen Christen auch kein besonderes Weihnachtsgericht kennen. Zum Essen geht man mit Familie und Freunden ins Restaurant und isst, was auf der Karte steht. Da schimmert bei den Christen die buddhistische Tradition Thailands durch, denn: Möglichst viele üppig zu bewirten, bringt gutes Karma.
„Shuvo Borodin“ heißt „frohe Weihnachten“ auf Bengalisch. Das wünschen sich die christlichen Bengalen, wenn sie nach dem Gottesdienst mit ihren Familien zum „Preeti-bhoj“ (Fest der Liebe) zusammenkommen, dem Weihnachtsessen. Sie essen zum Feste etwa verschiedene Arten Pitha. Diese werden aus einem Teig aus Reismehl, Wasser und Salz hergestellt und in der Tawa, einer flachen Pfanne, gebacken.
Es gibt würzige und süße Pithas. Zu Chitoi Pitha passen etwa scharfe Currys. Chitoi Pithas kommen als handtellergroße, fluffig-weiße Pfannkuchen daher. Die dünne süße Patishapta Pitha wird mit getrockneten Früchten und Mawa, einer cremigen Mischung aus Zuckersirup und Kokosnuss, gefüllt und dann wie ein Crepe zusammengerollt und verzehrt. Die kulinarischen Weihnachtstraditionen Bengalens sind aber bedroht. Immer mehr Christen folgen auch hier westlich-globalisierten Weihnachtsgebräuchen.