US-Kardinal McElroy fordert das konservative Lager heraus

Der neue Kardinal von San Diego bricht eine Lanze für die radikale Einbeziehung von LGBTQ-Menschen in das katholische Leben. Robert W. McElroy fordert die konservative US-Kirche im Jesuiten-Magazin “America” heraus.
Der neue Kardinal von San Diego bricht eine Lanze für die radikale Einbeziehung von LGBTQ-Menschen in das katholische Leben. Robert W. McElroy fordert die konservative US-Kirche im Jesuiten-Magazin "America" heraus.

–Foto: Spongie555/CC BY-SA 4.0

Der Verdacht könnte sich aufdrängen, Kardinal Robert W. McElroy und Papst Franziskus hätten sich abgestimmt. Auch wenn dem nicht so wäre, fällt das Zusammentreffen ihrer Beiträge zur Debatte über den Umgang mit sexuellen Minderheiten in der katholischen Kirche auf.

Während der Papst in einem Interview mit der Nachrichtenagentur AP die rechtliche Kriminalisierung von Homosexuellen verurteilt, hinterfragt McElroy in einem Beitrag für das Jesuiten-Magazin “America” die Gründe für die “Feindschaft gegen Angehörige der LGBT-Gemeinde”.

Angesprochen fühlen dürften sich zum Teil auch die konservativen Kreise, die in der US-Bischofskonferenz weiterhin erheblichen Einfluss haben. Wenngleich weder Papst Franziskus noch der von ihm ernannte Kardinal Namen nennen. Beide argumentieren vor dem Hintergrund der bevorstehenden Versammlung der Weltsynode im Vatikan im Oktober. Dort könnte die innerkirchliche Debatte über den Umgang mit sexuellen Minderheiten, die Rolle von Frauen in der Kirche und die Eucharistie für wiederverheiratete Geschiedene zu einem Höhepunkt kommen.

Der Papst fordert in dem Interview seine Kirche dazu auf, sich weltweit gegen “ungerechte” Gesetze einzusetzen, die gleichgeschlechtliche Beziehungen zu Verbrechen machen. Dazu gehören laut “Human Rights Watch” mindestens 67 Länder, die meisten davon in Afrika und dem Nahen Osten. In den USA haben mehr als ein Dutzend Bundesstaaten weiterhin Bestimmungen im Gesetzbuch stehen, die Homosexualität kriminalisieren, obwohl sie vom Obersten Gericht, dem Supreme Court, bereits 2013 für verfassungswidrig befunden worden waren.

Der Papst verlangt von Bischöfen, die mit solchem Denken sympathisieren, “einen Prozess der Umkehr”. Die Kleriker sollten den Betroffenen mit der Zärtlichkeit begegnen, die Gott für jeden Einzelnen bereithalte. “Wir sind alle Kinder Gottes, und Gott liebt uns, wie wir sind.”

Abgestimmt oder nicht, führt Kardinal McElroy den Gedanken in seinem Essay für “America” weiter aus. Er beklagt “den Ausschluss von Männern und Frauen wegen ihres Ehestands oder ihrer sexuellen Orientierung/Aktivität” aus der vollen kirchlichen Gemeinschaft. Aus Sicht des Kardinals handelt es sich beim Umgang mit diesen Gruppen “vorrangig um eine pastorale Frage, nicht eine der Lehre”.

Auch Papst Franziskus hatte in seinem Interview gefordert, es müsse “zwischen einer Sünde und einem Verbrechen” unterschieden werden. Kardinal McElroy zieht daraus die Konsequenz, dass die Debatte über die Eucharistiewürdigkeit verschiedener Gruppen innerhalb der Kirche beides berücksichtigen müsse: die Gebrochenheit des Menschen und die Gnade Gottes. “Die Kirche muss eine eucharistische Theologie hochhalten, die effektiv alle Getauften an den Tisch des Herrn einlädt.”

Dieser Satz lässt angesichts der zurückliegenden Debatte in den USA um die Eucharistiewürdigkeit von Politikern aufhorchen, die den legalen Zugang zu Schwangerschaftsabbrüchen unterstützen. Und hinterfragt indirekt diejenigen in der mehrheitlich konservativen US-Bischofskonferenz, die der kirchlichen Lehre zur Sexualmoral einen besonders hohen Stellenwert einräumen.

McElroy spricht in diesem Zusammenhang von einer falschen Gewichtung. “Die Kirche hat eine Hierarchie an Wahrheiten”, schreibt der Kardinal in dem “America”-Essay. Zentrum des christlichen Glaubens sei die Liebe Gottes, wie sie in Leben, Tod und Auferstehung Jesu Christi zum Ausdruck gekommen sei. “Sexuelles Handeln, auch wenn es Bedeutung hat, macht nicht den Kern dieser Hierarchie aus”. Der strukturelle Ausschluss von queeren Menschen von der Eucharistie sei eine falsche Praxis. “Das muss sich ändern.”

An die US-Kirche appelliert McElroy, “die Türen nicht zu schließen”. Sexuellen Minderheiten, Frauen und wiederverheirateten Geschiedenen müsse mehr Platz eingeräumt werden. “Wir müssen unser Zelt vergrößern. Und wir müssen es jetzt tun.”

Von Thomas Spang (KNA)