Seit Wochen steht die bis Mai 2022 mit Moskau verbundene orthodoxe Kirche der Ukraine unter Druck.
Von Oliver Hinz (KNA)
Kiew (KNA) Im Streit um ein mögliches Verbot hat die ukrainisch-orthodoxe Kirche (UOK) die Vereinten Nationen um Hilfe gebeten. Metropolit Onufri rief UN-Generalsekretär Antonio Guterres zum Schutz der Religionsfreiheit in der Ukraine auf, wie die früher dem Moskauer Patriarchat unterstehende Kirche mitteilte. Auf internationaler Ebene sollten „alle notwendigen Maßnahmen gegen die Aufstachelung zu religiöser Feindschaft und die Diskriminierung gläubiger Bürger der Ukraine und religiöser Organisationen der UOK“ rechtzeitig ergriffen werden.
Onufri wirft in seinem Schreiben den ukrainischen Behörden eine „grobe Verletzung des Rechts auf Gewissens- und Religionsfreiheit“ vor. Er kritisiert sowohl fünf „kirchenfeindliche Gesetzentwürfe“ als auch persönliche Sanktionen der Staatsführung gegen Geistliche seiner Kirche. Der nationale Sicherheits- und Verteidigungsrat beschuldigt sie unter anderem der Kollaboration mit russischen Kräften und der Verbreitung von Kreml-Propaganda.
Das Kirchenoberhaupt betonte dagegen, die UOK habe vom „ersten Tage an die bewaffnete Aggression Russlands gegen das ukrainische Volk“ verurteilt. Im Mai 2022 hatte sie sich für unabhängig erklärt und sich damit offiziell vom Moskauer Patriarchat getrennt. Diese Lossagung vom russisch-orthodoxen Patriarchen Kyrill I., einem Verbündeten von Kreml-Chef Wladimir Putin, wird jedoch von der Regierung in Kiew angezweifelt.
Auf Initiative von Präsident Wolodymyr Selenskyj beantragte die Regierung im Parlament vor einigen Tagen eine Änderung von zwei Gesetzen, damit religiöse Organisationen verboten werden, deren Leitungszentrum in Russland ist. Hintergrund ist der Krieg Russlands gegen die Ukraine. Abgeordnete gehen davon aus, dass ein solches Gesetz im März beschlossen wird. Die Regierung erklärte, ihr Gesetzentwurf solle „die spirituelle Unabhängigkeit“ der Ukraine sicherstellen.
Die UOK könnte allerdings nicht auf einmal ganz verboten werden. Denn sie ist im Gegensatz zu Religionsgemeinschaften in Deutschland keine Körperschaft des öffentlichen Rechts, sondern alle rund 12.000 Pfarreien und jedes Kloster sind einzeln beim Staat registriert. Es wäre also jeweils ein eigenständiges Verfahren notwendig.
In der Ukraine gibt es zwei konkurrierende orthodoxe Kirchen. Die Regierung unterstützt die 2018 mit Hilfe des Ökumenischen Patriarchen von Konstantinopel, Bartholomaios I., gegründete Orthodoxe Kirche der Ukraine (OKU). Sie ging aus zwei Konfessionen hervor, die sich bereits vor Jahrzehnten vom Moskauer Patriarchat getrennt hatten.
Die stellvertretende UN-Generalsekretärin für Menschenrechte, Ilze Brands Kehris, zeigte sich bereits besorgt über Gesetzentwürfe der Ukraine, die das Recht auf Religionsfreiheit „untergraben könnten“. Sie erinnerte vor zwei Wochen in einer Sitzung des UN-Sicherheitsrats daran, „dass nach den internationalen Menschenrechtsnormen jede Einschränkung des Rechts, seine Religion oder Weltanschauung zu bekunden, gesetzlich vorgeschrieben, notwendig und verhältnismäßig sein muss“. Beide Konfliktparteien müssten die Meinungs-, Versammlungs- und Religionsfreiheit respektieren.