Vor Jahrzehnten sollen ein Bottroper Priester und sein Nachfolger in einer Gemeinde Missbrauch begangen haben. Nun wird klar: In der Ruhrgebietsstadt hat es mutmaßlich noch mehr Täter gegeben. (Update vom 9. Februar, 15.40 Uhr im dritten Absatz)
Essen/Bottrop – Kurz vor Veröffentlichung einer Missbrauchsstudie für das Bistum Essen werden neue Details aus der Diözese bekannt. Demnach sollen allein in Bottrop insgesamt fünf ehemalige Priester sexuelle Gewalt gegen Kinder und Jugendliche verübt haben. Das teilte das Ruhrbistum auf Anfrage der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) am Mittwoch mit. Zudem wurden einem Kirchenmusiker in Bottrop Anfang der Nullerjahre Übergriffe vorgeworfen.
Unmittelbarer Nachfolger von Peter H. in einer Pfarrei
Bereits bekannt war der Fall des Geistlichen H., der mittlerweile aus dem Priesterstand entlassen wurde. Nachdem der Mann im Ruhrbistum bereits auffällig geworden war, kam er 1980 in das Erzbistum München und Freising, wo er sich über viele Jahre weiter an Kindern vergangen haben soll. Obwohl er 1986 eine Gefängnisstrafe auf Bewährung erhielt, wurde er weiter in Gemeinden eingesetzt, bis ihn Bischof Franz-Josef Overbeck 2010 in den Ruhestand schickte und ihm die priesterlichen Dienste untersagte. Der verstorbene Papst Benedikt XVI. – vormals Erzbischof von München und Freising – bestritt bis zu seinem Tod, von der Vorgeschichte des Geistlichen gewusst zu haben, als dieser nach München kam.
Der unmittelbare Nachfolger von H. in einer Pfarrei in Bottrop soll dort Ende der 1970er-Jahre ebenfalls Missbrauchstaten verübt haben: Kaplan P. war später in anderen Gemeinden im Ruhrbistum eingesetzt. Er verstarb 2019. Insgesamt sind der Diözese sechs mutmaßliche Opfer von P. bekannt.
Drei Priester, denen in Bottrop Missbrauch vorgeworfen wird, sind mittlerweile verstorben
Die weiteren drei Geistlichen, von denen zwei mittlerweile verstorben sind, waren ebenfalls im Stadtgebiet Bottrop eingesetzt. Der Zeitraum der Beschuldigungen erstreckt sich von 1959 bis 1980. Auf die Anmerkung, dass die Zahl von fünf beschuldigten Priestern in einer Stadt hoch erscheint, erklärte das Bistum: „Jeder einzelne Fall ist ein Fall zu viel. Die Zahl der Beschuldigungen in einer Stadt über einen Zeitraum von 1958 bis heute ist für uns kein geeigneter Maßstab, das Leid der Betroffenen zu bewerten, die sexualisierte Gewalt durch Priester erlitten haben.“
Am 14. Februar stellt das Münchner Institut IPP seine sozialwissenschaftliche Aufarbeitungsstudie für das Bistum Essen vor. Die Forschenden legen einen Schwerpunkt auf Strukturen, die Missbrauch begünstigten. Die Fälle H. und P. werden in der Untersuchung behandelt.
Zur Veröffentlichung der Studie will die Diözese aktuelle Zahlen über Missbrauch im Ruhrbistum herausgeben. Die 2018 publizierte MHG-Studie verzeichnet für das Bistum 85 Betroffene sowie 60 beschuldigte Geistliche seit seiner Gründung 1958. Vor der Pressekonferenz im Ruhrturm plant die Initiative Maria 2.0 eine „Mahnwache gegen Missbrauch“. Die Gruppe fordert eine unabhängige Aufklärung, die Bestrafung der Täter und die Anerkennung des Leids der Betroffenen.