Inzwischen sind zahlreiche internationale Rettungsteams in der Türkei und Syrien eingetroffen. Die weltweite Anteilnahme ist groß. Deutsche Politiker forderten, auch das isolierte Syrien in alle Maßnahmen einzubeziehen.
Genf/Berlin – Im türkisch-syrischen Erdbebengebiet treffen immer mehr internationale Helfer ein. Zugleich ist die Zahl der Todesopfer und Verletzten weiter gestiegen. Weltweit ergingen Spendenaufrufe und Solidaritätsbekundungen für die Leidtragenden in der Türkei und Syrien. Die Vereinten Nationen entsandten am Dienstag Katastrophenerkundungs- und Koordinierungsteams in die türkische Erdbebenregion. Wie das UN-Koordinierungsbüro für humanitäre Hilfe (OCHA) in Genf mitteilte, trafen zudem zwölf internationale Such- und Bergungsteams mit insgesamt 1.400 Helfern und 45 Suchhunden ein. Weitere 27 würden erwartet. Im Nordwesten Syriens, der ebenfalls von dem Beben am Montag schwer getroffen wurde, seien die humanitären Organisationen vor Ort weiterhin arbeitsfähig, so OCHA. Die Vorräte an UN-Hilfsgütern in der Region würden freigegeben.
Die Europäische Union entsandte 1.185 Such- und Rettungskräfte sowie 79 Suchhunde ins Unglücksgebiet. 11 der 25 Teams seien schon eingetroffen und unterstützten die Einsatzkräfte vor Ort, teilte die EU-Kommission mit. Zusätzlich reisten zwei medizinische Notfallteams in die Türkei. Die Zahl der Helfer könne noch erhöht werden. An der Unterstützung beteiligen sich derzeit 19 EU-Staaten, darunter auch Deutschland und Österreich. Unterdessen sagte Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) bei einem Telefonat mit dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan “weiter umfassende Unterstützung zur Bewältigung dieses Unglücks” zugesagt, wie Regierungssprecher Steffen Hebestreit am Abend in Berlin mitteilte.
Inzwischen wird nach Medienberichten von Dienstagabend offiziell von mehr als 7.000 Todesopfern und über 20.000 Verletzten in der Türkei und in Nordsyrien ausgegangen. Laut Weltgesundheitsorganisation WHO sind wegen der Katastrophe insgesamt rund 23 Millionen Menschen mehr oder weniger stark betroffen. Das Beben am frühen Montagmorgen hatte eine Stärke von etwa 7,8. Sein Epizentrum lag nahe der türkischen Millionenstadt Gaziantep. Tausende Gebäude sind zerstört. Viele Menschen haben ihre Häuser aus Angst seitdem nicht mehr betreten und harren trotz winterlicher Temperaturen im Freien aus.
In Syrien habe das Erdbeben eine “extrem geschwächte Gesellschaft” getroffen, sagte der Leiter von Caritas international, Oliver Müller, im Südwestrundfunk. Krankenhäuser hätten bereits vor dem Beben nur eingeschränkt arbeiten können, weil es beispielsweise nur zeitweise Strom, Wasser und Medikamente gegeben habe. Auch hätten in der Region schon vorher viele Menschen gehungert.
Führende deutsche Politiker dringen auf internationale Hilfe auch in dem von internationalen Wirtschaftssanktionen betroffenen Syrien. Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) forderte, türkisch-syrische Grenzübergänge zu öffnen. Auch die Fraktionschefs Dietmar Bartsch (Linke) und Rolf Mützenich (SPD) sowie CSU-Landsgruppenchef Alexander Dobrindt setzten sich für rasche Hilfsmaßnahmen in Syrien ein.
Der Limburger Bischof und Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Georg Bätzing, zeigte sich entsetzt über die hohe Zahl der Opfer und das Ausmaß der Zerstörungen. “Wir wollen alle unsere Kräfte einsetzen, Gebet, persönliche Solidarität und viel konkrete Hilfe, um in dieser Krise zu helfen, den Trauernden und Verletzten beizustehen und zum Wiederaufbau beizutragen”, sagte Bätzing in Prag am Rande des kontinentalen Treffens zur Weltsynode.
In einer gemeinsamen Erklärung bekundeten die dort versammelten Delegierten der 39 Bischofskonferenzen Europas ihre Verbundenheit mit den Erdbebenopfern. “Wir versichern ihnen unsere Gebete und rufen zu jeder möglichen Unterstützung zur Bewältigung der Notlage auf”, hieß es in der Stellungnahme. Das Kindermissionswerk “Die Sternsinger” berichtete von enormer Zerstörung, vor allem in der syrischen Stadt Aleppo. Viele Familien seien obdachlos geworden, Kinder müssten bei Minustemperaturen draußen schlafen.
Das Hilfswerk missio München unterstützt vor Ort Partnerorganisation bei der Erstversorgung. Der griechisch-katholische Erzbischof von Homs, Hama und Yabroud, Jean-Abdo Arbach, sagte, es fehle sogar an Erste-Hilfe-Ausrüstung. Die Menschen in der Region hätten über Jahre dem Krieg standgehalten, “jedoch noch nie solche Ängste ausgestanden”.