Katholiken müssen sich nach Ansicht des Essener Bischofs Franz-Josef Overbeck darauf einstellen, dass die Kirche künftig kein flächendeckendes religiöses Angebot mehr bieten kann.
Bonn – Katholiken müssen sich nach Ansicht des Essener Bischofs Franz-Josef Overbeck darauf einstellen, dass die Kirche künftig kein flächendeckendes und von Hauptamtlichen verantwortetes religiöses Angebot mehr bieten kann. Der Glaube werde weder an ein Kirchengebäude noch an einen kirchlichen Mitarbeiter oder Priester gebunden sein, sagte Overbeck im Interview des Portals katholisch.de und verwies auf die rückläufige Zahl der Geistlichen. Wenn es nicht gelinge, dieser Entwicklung entgegenzuwirken, werde es Messfeiern bald nur noch punktuell geben.
“Wir werden sehr differenziert eine Kirche sein, die sich hoffentlich noch sonntags zur Messe versammelt, aber die eben den klassischen Pfarreibegriff als Gemeinde längst aufgebrochen hat”, sagte Overbeck. Zwar sei er überzeugt, dass es weiterhin einer sakramentalen Grundstruktur der Kirche mit Priestern als Gemeindeleiter bedürfe. Aber: “Daneben gibt es zahlreiche Tätigkeiten, auch in jeweils leitender Verantwortung, die Laien übernehmen und ausfüllen. Das verlangt von allen Seiten – auch von den Gläubigen – eine wirkliche Umstellung.”
Der Bischof erwartet nach eigenen Worten große Änderungen. Der erste Essener Bischof Franz Hengsbach (1910-1991) habe ein flächendeckendes Netz von Kirchen angestrebt, damit alle Katholiken ein Gotteshaus im Viertel haben. “Diesem Anspruch können wir jetzt und in Zukunft nicht mehr gerecht werden und müssen es auch nicht.” Neben Diözesen und Pfarreien könnten Schulen, Kindergärten, Tagesstätten, Bildungseinrichtungen oder Pflegeheime zu Identifikationsorten von Kirche werden. Hinzu kämen kleine Gemeinden, die nicht in eine feste Struktur eingebettet seien und durch das Engagement einzelner Menschen wüchsen.
“Es gibt weiterhin Glaubensräume, aber sie liegen nicht unbedingt in meiner Nähe”, sagte der Bischof. Die Kirche werde sich vor allem diakonisch zeigen. “Das wird die Möglichkeit sein, die meisten Menschen zu erreichen. Die liturgische Kirche wird eher kleiner werden.”
Zudem werde sich eine viel größere Gruppe von Gläubigen auf digitalem Wege mit der Kirche verbinden, so Overbeck. Viele Menschen ließen sich als interessierte Besucher beschreiben, die nur hin und wieder einmal in der Kirche vorbeischauen. Er erlebe aber auch eine kleine Gruppe, die stark auf der Suche nach der klaren Identität eines konfessionell katholisch geprägten Lebensentwurfs sei. Diese Tendenzen konfessioneller Abgrenzung ließen sich ebenfalls auf evangelischer Seite feststellen. “Eine viel größere Gruppe gibt es allerdings, die nach mehr Gemeinsamkeiten im ökumenischen Sinne sucht, zusammen mit allen Christinnen und Christen.”