Der Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, Josef Schuster, blickt nach eigenen Worten bedrückt auf die politische Entwicklung in Israel.
Ichenhausen – Der Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, Josef Schuster, blickt nach eigenen Worten bedrückt auf die politische Entwicklung in Israel. „Ich mache mir ernsthaft Sorgen um die Demokratie in Israel“, sagte Schuster am Mittwochabend in der ehemaligen Synagoge in Ichenhausen in Bayerisch-Schwaben. In Israel laufe eine Justizreform, „die die Justiz letztlich aushöhlt“, so Schuster. „Ich finde das völlig unverständlich, auch inakzeptabel.“
Schuster äußerte sich bei den „Ichenhausener Synagogengesprächen für die Zukunft“. Diese Talkreihe hatte Rafael Seligmann mit Klaus Wolf angestoßen. Seligmann, der die Gespräche moderiert, ist ein jüdischer Publizist mit familiären Wurzeln in Ichenhausen. Wolf arbeitet als Literaturprofessor an der Universität Augsburg und ist Vorsitzender der Stiftung zum Erhalt der einstigen Synagoge Ichenhausen.
Ziel der „Synagogengespräche“ ist es den Initiatoren zufolge, „von jüdischen Werten ausgehend aktuelle Debatten mit Strahlkraft in die Gesellschaft zu tragen, nicht zuletzt angesichts eines immer lauter werdenden Antisemitismus“.
Seligmann fragte Schuster, warum der Zentralrat der Juden einer Umfrage zufolge eine deutlich höhere Glaubwürdigkeit genieße als die beiden großen Kirchen. Schuster antwortete, die jüdische Seite sei „Gott sei Dank nicht so in den Schlagzeilen“ gewesen, er denke an den Komplex Missbrauch. „Das ist bisher bei uns kein Thema.“ Gleichwohl lege er für keinen Rabbiner die Hand ins Feuer.
Ichenhausen war früher – wie einige andere Orte in Bayerisch-Schwaben – stark jüdisch geprägt. So galt um 1830 knapp die Hälfte der Ichenhausener als jüdisch, das entsprach rund 1.200 Menschen.
Ichenhausen und andere kleinere Orte im einst habsburgischen Vorderösterreich bildeten früher das sogenannte Medinat Schwaben. Medinat heißt Staat auf Hebräisch. Darunter ist ein relativ stark jüdisch besiedeltes Gebiet inmitten einer katholisch geprägten Landschaft zu verstehen. Die Habsburger waren Klaus Wolf zufolge aus Interesse an hohen Steuereinnahmen tolerant gegenüber den Juden. Zudem hätten die Religionen voneinander profitiert: „Die Juden konnten am Sabbat katholische Mägde für sich arbeiten lassen, die Katholiken fanden ihr Auskommen in der starken jüdischen Textilindustrie.“