Bodes Rücktritt: Rückschlag oder Rückenwind für Reformen?

Er war einer der entschiedensten Kämpfer für grundlegende Reformen in der katholischen Kirche. Wie geht es damit jetzt weiter nach dem Rücktritt von Osnabrücks Bischof Franz-Josef Bode?
Er war einer der entschiedensten Kämpfer für grundlegende Reformen in der katholischen Kirche. Wie geht es damit jetzt weiter nach dem Rücktritt von Osnabrücks Bischof Franz-Josef Bode?

Franz-Josef Bode. –Foto: © Synodaler Weg/Max von Lachne

Es war ein Paukenschlag, dessen Folgen noch längst nicht alle absehbar sind. Am Wochenende trat erstmals ein deutscher Bischof zurück im Zusammenhang mit Fehlern beim Umgang mit Missbrauch. Dass Franz-Josef Bode ab sofort nicht mehr Bischof von Osnabrück ist, noch einmal seine Versäumnisse offen ansprach und die Betroffenen um Verzeihung bat, könnte zum einen ein neues Kapitel aufschlagen bei der Aufarbeitung des Missbrauchsskandals. War doch immer wieder beklagt worden, dass neben hehren Worten und Absichtserklärungen noch niemand wirklich persönliche Konsequenzen gezogen habe.

Wobei man natürlich auch beachten muss, dass dies nicht zuletzt am Papst lag. Zum ersten Mal nahm er ein Rücktrittsangebot auch an. Bei Kardinal Reinhard Marx (München-Freising), Erzbischof Stefan Heße (Hamburg) und den Kölner Weihbischöfen Dominikus Schwaderlapp und Ansgar Puff lehnte er diese ab. Und über das von ihm selbst eingeforderte Rücktrittsangebot des Kölner Kardinals Rainer Maria Woelki hat Franziskus bis heute nicht entschieden.

Kirchenpolitische Taktik?

Eine Tatsache, die auch auf Kritik stößt, etwa beim Sprecher des Betroffenenbeirats bei der Deutschen Bischofskonferenz, Johannes Norpoth: Im Gespräch mit dem Neuen Ruhrwort begrüßte er zwar, dass endlich einmal „persönliche Konsequenzen auf eigene Fehler folgen und nicht nur warme Worte“. Zugleich aber beklagte er, dass „die Reihe der reformwilligen Bischöfe in der Deutschen Bischofskonferenz weiter geschwächt“ werde. Dahinter könne auch eine kirchenpolitische Taktik stecken.

Eine Vermutung, die immer wieder auch in anderen Kommentaren – etwa auf Twitter oder Facebook – zu entdecken ist. Etwa mit der Frage, warum Bischof Bodes Rücktritt angenommen wird, aber der von Kardinal Woelki nicht. Der Vatikan wolle den Kölner Erzbischof als einen der Wortführer des konservativen Lagers unbedingt im Amt halten, heißt es da schon mal. Das passe ja auch zur ablehnenden Haltung Roms gegenüber vielen Forderungen aus dem deutschen Reformprojekt Synodaler Weg.

Und Bode sei dort ja immer einer der forschesten Vertreter gewesen, etwa wenn es darum ging, Segensfeiern für homosexuelle Paare oder wiederverheiratete Geschiedene einzuführen. Oder wenn es um eine stärkere Beteiligung von Laien und von Frauen ging – bis hin zur Forderung nach der Weihe von Frauen zumindest zu Diakoninnen. Noch kurz vor seinem Rücktritt hatte der 72-Jährige angekündigt, im Bistum Osnabrück sollten möglichst rasch erste konkrete Reformschritte auch umgesetzt werden.

Mit Bode fehlt die profilierteste Stimmen für umfassende Reformen

Andere Spekulanten – aus den unterschiedlichsten kirchenpolitischen Lagern – stellen gleich noch größere Zusammenhänge her: Mit Bedauern die einen, mit Schadenfreude die anderen verweisen sie darauf, dass zwei weitere deutsche Reformbefürworter in den letzten Wochen wichtige Posten auf internationaler Ebene abgegeben haben: Kardinal Marx gehört nach zwei Amtszeiten nicht mehr zu den Papstberatern im Kardinalsrat und der Essener Bischof Franz-Josef Overbeck nicht mehr zu den Vizepräsidenten der EU-Bischofskommision COMECE.

Alles sehr spekulativ und zumindest in diesen großen Zusammenhängen auch weit hergeholt. Und was Bischof Bode betrifft und die Auswirkungen seines Rücktritts auf die Reformbemühungen in Deutschland, sind mehrere Optionen denkbar: Auf der einen Seite fehlt künftig sicher eine der profiliertesten Stimmen für rasche und umfassende Reformen, notfalls auch gegen den Willen des Vatikans.

Neben diesem Rückschlag könnte es aber auch Rückenwind geben. Denn auf der anderen Seite könnte eine immer wieder zu hörende Kritik an den Reformbefürwortern verstummen oder zumindest leiser werden. Nämlich der Vorwurf, sie würden ihre kirchenpolitische Agenda als Kampf gegen „angebliche systemische Ursachen“ des Missbrauchs tarnen, hätten aber in Wahrheit selbst noch jede Menge „Leichen im Keller“, was den eigenen Umgang mit Missbrauchsfällen angehe.

Viele Fragezeichen bleiben

Solchen Angriffen könnte nun das Beispiel von Bode etwas Wind aus den Segeln nehmen mit dem Hinweis, hier habe nun ein Bischof tatsächlich Ernst gemacht und Konsequenzen gezogen. Ob andere folgen? Und ob der Papst künftig auch anders reagiert? Viele Fragezeichen bleiben. Und vieles könnte auch davon abhängen, wer auf Bode folgt. Zum einen in Osnabrück, zum zweiten nach dem vorläufigen Abschluss des Synodalen Wegs, wenn demnächst ein Synodaler Ausschuss die Arbeit fortsetzt. Und zum dritten wird sich bei der nächsten Vollversammlung im Herbst entscheiden, wen die Bischöfe zum neuen stellvertretenden Vorsitzenden der Bischofskonferenz wählen.

Auch für den Vorsitzenden, Bischof Georg Bätzing, sicher eine entscheidende Weichenstellung. Schrieb er doch in seiner ersten Reaktion auf Bodes Rücktritt: „Mit Dir verliere ich am heutigen Tag meinen engsten Mitstreiter auf dem Synodalen Weg, der noch viele Wegetappen für uns bereithält.“ Wer diesen Weg künftig mit ihm und anderen gehen wird und wohin – das wird eine der spannendsten Fragen bleiben nach dem ersten deutschen Bischofsrücktritt im Zusammenhang mit dem Missbrauchsskandal.

Von Gottfried Bohl (KNA)