Ethiker Gottwald: Essen ist nicht mehr nur Privatsache

Die menschliche Ernährungsweise hat Konsequenzen für die Umwelt – aus Sicht des Ernährungsethikers Franz-Theo Gottwald besteht deshalb eine moralische Verpflichtung, sich möglichst nachhaltig zu ernähren. 

Die menschliche Ernährungsweise hat Konsequenzen für die Umwelt – aus Sicht des Ernährungsethikers Franz-Theo Gottwald besteht deshalb eine moralische Verpflichtung, sich möglichst nachhaltig zu ernähren. “In der Wahrnehmung jedes Einzelnen ist es natürlich Privatsache, was zu Hause auf den Tisch kommt. Aber in der öffentlichen Wahrnehmung nicht mehr”, mahnte Gottwald gegenüber der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA).

Zwar sei es nach wie vor wichtig, dass eine Wahlfreiheit beim Lebensmittelkauf bestehe, betonte Gottwald. Daraus ergebe sich aber auch eine fortdauernde “moralische Überforderung” für den Einzelnen. “Wir wissen zwar, wenn wir etwas essen, das uns selbst oder der Umwelt nicht zuträglich ist, und haben vielleicht ein ‘schlechtes Gewissen’. Dennoch entscheiden wir uns bewusst dafür, weil wir meinen, wir brauchen das jetzt einfach mal.” Daran änderten auch Belehrungen, Güte- oder Umweltsiegel auf einem Produkt nicht viel.

Hinzu komme das weltweite Ungleichgewicht in der Ernährung. Während im Globalen Süden bald eine Milliarde Menschen Hunger leide, seien in den westlichen Ländern rund 2,5 Milliarden von Übergewicht bis hin zur gesundheitsschädlichen Fettleibigkeit betroffen. “Unsere Ernährungsweise bewegt sich also ganz eindeutig nicht in unseren planetaren Grenzen. Das ist problematisch”, erklärt der Ethiker.

Allerdings sieht der katholische Theologe ein gesteigertes Problembewusstsein in der Gesellschaft, nicht nur unter jungen Menschen. “Als ich 1985 mit der Thematik begonnen habe, waren die Voraussetzungen noch ganz andere. Da wurde kaum über die Folgen gesprochen, die die Lebensmittelwirtschaft für den Planeten hat”, so Gottwald. Eine Umstellung auf eine ökologische und nachhaltige Ernährung hält er nach eigener Aussage für möglich. “Dafür wäre nur etwas politisches Handwerk nötig.”

Ernährungsethiker Gottwald: Insekten im Essen noch kein Kulturgut

Insekten als Zutat in Lebensmitteln – das ist in der EU zwar inzwischen möglich, aber viele Menschen reagieren bislang noch mit Ablehnung. Aus Sicht Gottwalds ist dafür weniger der Ekel-Faktor ausschlaggebend: “Das ist meines Erachtens kulturell bedingt”, erklärte der Theologe.

Hierzulande gebe es eine Hierarchie der Tiere, führte Gottwald aus. “Schweine, Kühe, Schafe – da haben wir das Bild eines Säugetieres vor uns, das ist auch Kulturgut.” Für Insekten gelte dies bislang nicht. “Das zeigt sich auch daran, wie wir über deren Verzehr sprechen. Wir reden dann nicht mehr von Tieren und deren Fleisch, sondern über Proteine.”

Insekten gelten zwar als eine ressourcenschonende Alternative zu Fleisch. Dennoch handle es sich auch bei den Krabbeltieren “um Lebewesen, deren Verzehr mit einer Tötungsthematik verbunden ist”, mahnte Gottwald. “Für Veganer etwa wären die Produkte damit zum Beispiel nicht geeignet.”

Anfang des Jahres hat die EU die Verordnung für neuartige Lebensmittel, sogenannte Novel Foods, erweitert. Damit sind verschiedene Insektenarten als Nahrungsmittel innerhalb der EU zugelassen. Konkret betrifft das die Larven des Mehlkäfers, auch Mehlwürmer genannt, Wanderheuschrecke und Hausgrille sowie die Larven des Getreideschimmelkäfers, auch Buffalowurm genannt.

kna