Die Frankfurter Paulskirche ist der historische Ort der deutschen Demokratiegeschichte – und ein Beispiel für ein seltenes Zusammenspiel von Kirche und Staat.
Frankfurt – Die Frankfurter Paulskirche ist der historische Ort der deutschen Demokratiegeschichte – und ein Beispiel für ein seltenes Zusammenspiel von Kirche und Staat. Am 18. Mai 1848 trat dort erstmals die Nationalversammlung zusammen, das erste gesamtdeutsche Parlament. Damals war die Paulskirche noch eine „richtige“ Kirche: Sie war ab 1789 errichtet, nach mehreren Bauunterbrechungen erst 40 Jahre später vollendet, 1833 als evangelisches Gotteshaus geweiht und nach dem Apostel Paulus benannt worden. Bis 1944 war sie die evangelische Hauptkirche der Stadt Frankfurt.
„Eigentlich ist es doch ganz erstaunlich, dass die evangelisch-lutherische Gemeinde Frankfurts einen so zentralen kirchlichen Raum für eine bedeutende politische Versammlung zur Verfügung stellte“, sagte Margrit Frölich, Studienleiterin bei der Evangelischen Akademie Frankfurt, kürzlich bei der Tagung „Der Protestantismus und die Paulskirche„.
Doch warum eigentlich zog das erste freigewählte deutsche Parlament gerade in die Paulskirche ein? Die schlichte Antwort: weil es in Frankfurt keinen anderen geeigneten Tagungsort für die Deutsche Nationalversammlung gab. „Mit ihren über 2.000 Sitzplätzen bot die Paulskirche einfach den größten Raum“, erläuterte Andrea Braunberger-Myers, die heutige Pfarrerin der Frankfurter St. Paulsgemeinde, die in der Alten Nikolaikirche ihre Gottesdienste feiert.
Doch gab es nicht auch Bedenken der Kirchengemeinde, dass hier eine Gottesdienststätte durch die politische Nutzung zweckentfremdet werden könnte? Denn für die Nationalversammlung wurde der Altar mit einem Vorhang überdeckt – und die Orgel darüber mit dem Gemälde einer Germania. Dort, wo der Pfarrer immer den Segen gesprochen hatte, stand nun der Stuhl des Präsidenten der Nationalversammlung. Und die Kanzel wurde zur Rednertribüne, so Braunberger-Myers.
Doch der damalige Gemeindevorstand habe historischen Quellen zufolge „sehr zügig“ und ohne größere Diskussion die Anfrage beschieden, den Kirchenraum des prominentesten Frankfurter Kirchengebäudes 1848 zur Verfügung zu stellen.
Der Respekt vor den Mitgliedern der Nationalversammlung war groß – und gerechtfertigt. Denn die insgesamt 809 Abgeordneten, die dort von Mai 1848 bis Mai 1849 debattierten und verhandelten, arbeiteten nachhaltig: Die erste Volksvertretung für ganz Deutschland verabschiedete eine Reichsverfassung mit „Grundrechten des Deutschen Volkes“. Davon wurden die Weimarer Verfassung von 1919 und das Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland von 1949 geprägt. Die Paulskirche wurde zur „Wiege der deutschen Demokratie“, wie der frühere US-Präsident John F. Kennedy im Juni 1963 bei seinem Frankfurt-Besuch sagte.
Nun steht der 175. Jahrestag der Nationalversammlung am 18. Mai bevor. An diesem Tag wird Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier beim Festakt in der Paulskirche die Festrede halten. Anschließend wird das Paulskirchenfest eröffnet, das bis 21. Mai dauert und die „Wehrhaftigkeit der Demokratie“ ins öffentliche Bewusstsein rücken will.
Ein Gotteshaus ist die Paulskirche zwar nicht mehr – doch warum befindet sich bis heute ein vergoldetes Kreuz auf ihrer Kuppel? Der Grund: Mit dem sogenannten Dotationsvertrag vom 12. Mai 1953 ging die Paulskirche offiziell in die Nutzung der Stadt Frankfurt über. In den Artikeln 3 und 4 des Vertrages heißt es: „Dem Gemeindeverband wird von der Stadt Frankfurt am Main die Zusicherung gegeben, dass nicht nur die historische, sondern auch die religiöse Tradition dieser Kirche gewahrt wird.“ Und: „Das Kreuz auf der Paulskirche darf nicht entfernt werden.“
Den letzten Sonntagsgottesdienst feierte die Paulsgemeinde in der Paulskirche am 12. März 1944. Wenige Tage später brannte sie bei Bombenangriffen aus. In den Jahren danach wurde sie wieder aufgebaut. Der elliptische Rundbau aus Rotsandstein vermittelt in seinem Inneren ein erhabenes Gefühl von Höhe und Weite – und gilt als herausragendes Monument klassizistischer Architektur.
Bei ihrer Wiedereröffnung 1948 wurde die Paulskirche als politische Gedenkstätte eingeweiht. Im Erdgeschoss kann man sich eine Dauerausstellung ansehen. Und oben, im Plenarsaal, werden Festakte und Preisverleihungen zelebriert – an einem Ort mit einzigartiger Geschichte.