Noch wirken manche Antworten von ChatGPT so hölzern oder allgemein, dass viele Menschen schnell merken, dass sie es mit einem Bot zu tun haben. Theologen sehen dennoch Chancen, wenn das Programm richtig genutzt wird.
Regensburg/Bonn – „Sie sind wertvoll und einzigartig. Sie haben einzigartige Fähigkeiten und Eigenschaften, die niemand sonst hat“: Diese Worte stammen weder von einem Life-Coach noch von einer Influencerin. Sondern von ChatGPT, jenem Bot, der mithilfe von Künstlicher Intelligenz (KI) die unterschiedlichsten Anfragen in Textform beantworten kann. Telefonseelsorgerin Stefanie* hat sie ihm entlockt, als sie herausfinden wollte, ob ChatGPT auch dann helfen kann, wenn jemand wirklich Hilfe braucht.
Über den Selbstversuch hatte zunächst das Bistum Regensburg berichtet. Die Idee kam der Ostbayerin aus ganz konkretem Anlass, wie sie der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) berichtet: In den Chats der Telefonseelsorge sei immer wieder gefragt worden, ob man es mit einem echten Menschen zu tun habe – oder eben mit einem Bot. „Ich dachte, das müsste man doch ganz klar erkennen: an der Sprache und daran, wie wir auf die Ratsuchenden eingehen.“
Nach ihrer Erfahrung seien „echte, gelebte menschliche Wärme und Nähe“ entscheidend für einen gelingenden Chat – und diese „Zwischentöne“ fehlten dem Bot. Allerdings: Auch manche Beraterinnen und Berater seien „trockener“, räumt Stefanie ein. Sie selbst sei erschrocken gewesen, als ihr auffiel, dass ChatGPT manche „Standardsätze“ nutze: „Das tut man nach Jahren in dieser Tätigkeit auch selbst.“ Insofern sei der Versuch zu einem Impuls geworden, bei der eigenen Arbeit noch genauer hinzuschauen.
Auf einen solchen Effekt hofft auch Wolfgang Beck. „Wenn ChatGPT bessere Predigten schreibt als der Priester, dann zeigt das ein eklatantes Defizit“, sagt der katholische Theologe. Er ist einer der Sprecher des „Wort zum Sonntag“, das am späten Samstagabend im Ersten ausgestrahlt wird – eine Art christlicher Kommentar zu dem, was die Menschen in der laufenden Woche umtreibt. Auch hier habe man im Kreis der Kolleginnen und Kollegen mit dem Bot ein bisschen experimentiert, verrät Beck. Seine Erfahrung: „Wir bringen unsere eigene, persönliche Erfahrungswelt ein – das nachzuahmen, gelingt ChatGPT noch nicht.“
Die „Wort zum Sonntag“-Sprecherinnen und -Sprechern seien bewusst unterschiedlich und vielfältig, erklärt Beck. Dagegen habe die KI eine Tendenz zur Vereinheitlichung, zum Glattbügeln. Telefonseelsorgerin Stefanie berichtet, als sie dem Bot geschrieben habe „ich ärgere mich“, sei eine Warnung in roter Schrift erschienen, dass dies den Regeln im Umgang mit ChatGPT widerspreche. „Wenn negative Gedanken nicht akzeptiert werden, ist das bedenklich“, sagt sie. Bei der Telefonseelsorge riefen häufig Menschen an mit dem Bedürfnis, „einfach mal Luft abzulassen“.
Aus Sicht des evangelischen Theologen Rainer Bayreuther liegt es auf der Hand, sich von Chat-GPT etwa Predigten schreiben zu lassen oder Vorlagen für seelsorgliche Gespräche. „Gerade in schwierigen Gesprächen geht es darum, Unsicherheiten zu bewältigen, Wünsche und Ängste realistisch einzuschätzen, viele Aspekte miteinzubeziehen“, sagt der Autor des Buchs „Der digitale Gott“. Dabei könne ein Chatbot durchaus hilfreich sein.
Skrupel oder Kritik seien angebracht, „wenn man als Seelsorger sagt: Ich mache gar nicht mehr den Mund auf, sondern überlasse die Kommunikation der Maschine“, so Bayreuther. Dagegen könne eine Zusammenarbeit von Mensch und Maschine sinnvoll sein: „Wenn man Seelsorge als Aufgabe begreift, eine ungewisse Zukunft zu gestalten, kann das Ergebnis nur besser werden, wenn man möglichst viele Erfahrungen und Perspektiven einbezieht.“
Etwas wirklich Neues bei der Ideensuche – das hat Wolfgang Beck nach eigenen Worten noch nicht von ChatGPT erlebt. „Als Kirche sollten wir diese Entwicklung kritisch, aber auch wohlwollend betrachten“, sagt er. Nicht zuletzt während der Corona-Pandemie sei im digitalen Bereich viel Neues entstanden, „und es wäre ein verpasste Chance, da nicht am Ball zu bleiben“.
Seelsorgerin Stefanie hofft daher auf Studien zu den Erfahrungen mit dem Bot: „Wenn man weiß, worauf das Angebot basiert, ist es keine negative Konkurrenz für uns Menschen.“ Im Idealfall könne ChatGPT dann – ähnlich wie etwa Apps für depressive Menschen – eine Ergänzung sein zur menschlichen Zuwendung.