Eine breitere Diskussion über den Wert von Arbeit fordert die Wirtschaftswissenschaftlerin Jana Costas.
Hamburg – Eine breitere Diskussion über den Wert von Arbeit fordert die Wirtschaftswissenschaftlerin Jana Costas. „Warum sind wir der Gesellschaft nur dienlich, wenn wir einer Lohnarbeit nachgehen?“, sagte sie dem „Spiegel“ (Samstag). „Kann der Wert eines Menschen auch anders definiert werden?“
Corona-Pandemie und technischer Wandel hätten grundsätzliche Überlegungen aufgeworfen, erklärte die Forscherin. Zum Beispiel: „Halten wir es als Gesellschaft für gerechtfertigt, dass Arbeit so viel Raum einnimmt in unserem Leben?“ Dahinter stünden „große Sinnfragen“. So hätten sich in einer ihrer Studien einige Befragte als entfremdet von ihrem Job beschrieben und nicht gewusst, „warum sie das überhaupt machen. Reine ‚Monkey Work‘, wie sie es nannten, eine Beschäftigung, für die man eigentlich kein menschliches Hirn braucht.“
Arbeit werde hierzulande „unglaublich wichtig genommen“, fügte Costas hinzu. Die protestantische Arbeitsethik sei noch immer stark ausgeprägt. Und: „Wenn Andrea Nahles einer vermeintlich freizeitorientierten jüngeren Generation zuruft, dass Arbeit nun mal ‚kein Ponyhof‘ sei, sagt sie damit implizit auch: Nur wer arbeitet, ist auch im moralischen Sinn der Gesellschaft nützlich.“
Diese Vorstellungen hätten die Erwartung einer sinnhaften Arbeit geschürt, erklärte Costas. Auch signalisierten viele Unternehmen: „Wir fordern zwar viel von dir, aber die Wertvorstellungen, die du außerhalb der Arbeit hast, kannst du auch hier ausleben.“ Dies führe allerdings zu neuen Problemen, etwa einer fehlenden Abgrenzung von Arbeits- und Privatleben. Menschen in selbstorganisierten Teams mit hoher Eigenverantwortung litten in vielen Fällen stärker unter Stress.
Die Forderung nach einer Viertagewoche könnte indes auch für andere Berufsgruppen interessant sein, etwa in der Reinigungsbranche. „Erstmal aber müssten die Löhne steigen“, mahnte die Expertin. „Weniger Geld ist für fast jeden, der im Reinigungssektor arbeitet, keine Option“.
Eine weitere wichtige Frage sei, was in der Zeit geschehe, in der Menschen keiner Lohnarbeit nachgingen. Das Engagement für Care- oder Freiwilligenarbeit sei zuletzt gestiegen, „und zwar auch bei den Jüngeren“. Dies sei „auch ein Dienst an der Gesellschaft“, betonte Costas. Zudem habe sich gezeigt, „dass Frauen bei einer Viertagewoche am Tag fünf nicht in die Sauna gehen, sondern Carework oder Hausarbeit machen.“