Lehrer: Oft Vorurteile gegenüber Kindern von Brennpunktschulen

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Nach Einschätzung von Schulleiter Thorsten Seiß haben viele Menschen unberechtigte Vorbehalte gegenüber Kindern von so genannten Brennpunktschulen.
Lehrer: Oft Vorurteile gegenüber Kindern von Brennpunktschulen

((Symbolfoto: Taken /Pixabay)

Nach Einschätzung von Schulleiter Thorsten Seiß haben viele Menschen unberechtigte Vorbehalte gegenüber Kindern von so genannten Brennpunktschulen. “Es gibt viele Vorurteile – manche denken vielleicht, dass sie hier schnell ein Messer im Rücken haben. Aber an unseren Schulen sind ganz normale Kinder mit ganz normalen Bedürfnissen und Befindlichkeiten”, sagte Seiß am Freitag der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) in Gelsenkirchen. “Man baut eine Beziehung zu ihnen auf, wie in anderen Schulen auch.”

Seiß ist Schulleiter der Gemeinschaftsgrundschule Kurt-Schumacher-Straße in Gelsenkirchen und Mitunterzeichner einer jetzt veröffentlichten Handlungsempfehlung durch die Wübben Stiftung Bildung. Darin fordern verschiedene Schulleiter an Brennpunktschulen von Berlin bis Rheinland-Pfalz mehr Unterstützung für ihre Einrichtungen. Dort seien viele Kinder am Tag der Einschulung eher auf dem Bildungsstand eines zwei- bis dreijährigen als eines sechsjährigen Kindes.

“Wenn Kinder in die erste Klasse kommen, starten sie hinsichtlich ihres Bildungsstands bildlich gesprochen in der Regel bei ‘null’ oder ein wenig darüber, viele können bereits ihren Namen schreiben, kennen die Zahlen. Wir starten mit unseren Kindern oft jedoch bei ‘minus fünf’, erklärte Seiß. So wüssten viele von ihnen nicht, “dass man sich die Zähne putzt oder wie eine Ampel funktioniert. Oder was ein Kreis ist. Also grundlegende Dinge, die zur Schulreife gehören.”

Der Schulleiter forderte eine frühe Förderung solcher Kinder – etwa durch eine obligatorische Vorschule, Ganztagsschulen mit kostenloser Nachmittagsbetreuung, kostenloses Frühstück und Mittagessen, mehr Sozialarbeiter und vor allem deutlich mehr Lehrpersonal.

“Wir müssten die Kinder möglichst viel und möglichst lange in der Schule haben, um Defizite ausgleichen zu können”, sagte der Pädagoge. Die meisten bekämen zu Hause wenig oder gar keinen Input durch die Eltern, ihnen werde etwa nie vorgelesen und oft würden sie sich selbst überlassen.

“Diesen Kindern versuchen wir in der Schule etwas durch die Klassengemeinschaft zu geben, dass wir sie wahrnehmen als Individuen.” Entsprechend gerne kämen die Kinder auch in die Schule. Seiß: “Die Potenziale sind komplett vorhanden. Aber die entsprechende Förderung fehlt eben. Es ist traurig, dass die Gesellschaft das nicht wahrnimmt.”

kna