Forscher: „Weibliche Heiratsmobilität“ auch in der Bronzezeit

Um mehr über das prähistorische Familiensystem zu erfahren, haben Forscher einen Grabhügel aus der russischen Steppe untersucht.
Forscher: „Weibliche Heiratsmobilität“ auch in der Bronzezeit

–Symbolfoto: Microgen | Dreamstime.com

Wie lebte eine Großfamilie vor rund 4.000 Jahren? Um mehr über das prähistorische Familiensystem zu erfahren, haben Forscher einen Grabhügel aus der russischen Steppe untersucht. Sie fanden heraus, dass der älteste Bruder damals wohl herausgehobene Rechte hatte und die Frauen für Hochzeiten fortgezogen sind, wie die Universität Mainz am Dienstag mitteilte.

Wissenschaftler der Universitäten Mainz, Frankfurt und Jekaterinburg (Russland) untersuchten demnach einen “Kurgan” genannten Grabhügel in der südlichen Ural-Region. Er enthielt demnach Überreste von 32 Personen; sechs Brüdern, ihren Frauen, Kindern und Enkeln, die vor rund 3.800 Jahren lebten.

Der älteste Bruder hatte den Forschern zufolge acht Kinder mit zwei Frauen. Die anderen Brüder lebten wahrscheinlich monogam und hatten weniger Kinder. Die Forscher schlossen daraus, dass der erstgeborene Bruder einen höheren Status und bessere Chancen auf Kinder hatte. Der Mainzer Paläogenetiker und Studienautor Jens Blöcher sagte: “Wir kennen dieses Recht des männlichen Erstgeborenen zum Beispiel aus dem Alten Testament, aber auch aus historischen Zeiten in Europa.”

Weiter ergaben die Untersuchungen demnach, dass alle im Kurgan begrabenen Frauen zugezogen waren. Sollten die dort bestatteten Brüder Schwestern gehabt haben, seien die wohl an andere Orte gezogen. Umgekehrt stammten die Frauen der Brüder aus einem größeren Gebiet und seien untereinander nicht verwandt. Das Muster der “weiblichen Heiratsmobilität” sei weit verbreitet und aus wirtschaftlicher und evolutionärer Sicht sinnvoll, sagte der Mainzer Paläogenetik-Professor Joachim Burger. “Während ein Geschlecht lokal bleibt und die Kontinuität der Stammeslinie und des Besitzstandes sichert, heiratet das andere Geschlecht von außen ein, um Verwandtenehen und Inzucht zu verhindern.”

Die Menschen im Süden des Urals hätten damals als Hirten gelebt. Sie hätten Metallverarbeitung gekannt, aber kaum Zeichen hinterlassen, die auf Ackerbau hinwiesen. Der untersuchten Familie sei es gesundheitlich schlecht gegangen. Der Grabhügel sei unvermittelt nicht mehr genutzt worden. Zuletzt seien fast nur noch Säuglinge und Kleinkinder dort bestattet worden. Die Bewohner seien möglicherweise krank geworden oder auf der Suche nach einem besseren Leben umgezogen.

kna