Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier sieht sich in der Pflicht, sich der Geschichte seines Amtes zu stellen.
Berlin – Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier sieht sich in der Pflicht, sich der Geschichte seines Amtes zu stellen. „Ein Bundespräsident soll Orientierung geben, auch für die Zukunft unserer Gesellschaft“, sagte Steinmeier am Mittwoch in Berlin laut Redemanuskript bei der Vorstellung der Ergebnisse eines Forschungsprojektes zur NS-Vergangenheit der Bundespräsidenten und des Bundespräsidialamtes.
Seit Sommer 2020 untersucht ein Forscherteam um den Jenaer Historiker Norbert Frei den Umgang der Bundespräsidenten und des Bundespräsidialamtes mit dem Nationalsozialismus. Die Untersuchung bezieht sich auf die Zeit von 1949 bis 1994, also die Amtszeit der Bundespräsidenten Heuss, Lübke, Heinemann, Scheel, Carstens und von Weizsäcker. Spätere Bundespräsidenten waren in der Nazi-Zeit noch nicht geboren, oder erlebten sie als kleine Kinder.
Der Rolle des ersten Bundespräsidenten Theodor Heuss komme eine Schlüsselfunktion zu. „Vieles von dem, was man damals ‚Vergangenheitsbewältigung‘ nannte und was wir heute als Erinnerungskultur bezeichnen, geht auf die Reden und das Wirken von Theodor Heuss zurück“, betonte Steinmeier.
Heuss habe den Volkstrauertag im November 1952 dafür genutzt, im Bundestag nicht nur der deutschen Kriegstoten, sondern ausdrücklich der ermordeten Juden und KZ-Opfer zu gedenken. Als Heuss bei der Eröffnung der KZ-Gedenkstätte in Bergen-Belsen gesagt habe „Wir haben von den Dingen gewusst“, sei das für viele eine Provokation gewesen, unterstrich Steinmeier.
Die glaubwürdige Verkörperung, aus der Vergangenheit lernen zu wollen, sei „die unabschließbare Aufgabe präsidialen Handelns“, erklärte Frei in seiner Untersuchung. Alle sechs Bundespräsidenten dieser Zeit hätten sich „ungeachtet mancher Unterschiede im persönlichen Stil dieser Aufgabe gestellt und stellen müssen“. Dabei habe es „Tempomacher“, „bloßer Routinier“ oder „sogar Bremser“ gegeben, so Steinmeier.
„Gerade in dieser Zeit, in der unsere Demokratie so sehr angefochten wird, müssen wir uns als Gesellschaft unserer Geschichte bewusst sein“, betonte Steinmeier. Was sich nicht wiederholen solle, dürfe auch nicht vergessen werden. „Das ‚Nie wieder!‘ ist viel mehr als das moralische Fundament unserer liberalen demokratischen Gesellschaft.“ Es sei ein Auftrag an die heutige ebenso wie an alle künftigen Generationen, sagte Steinmeier.