Kirche bittet Polens Präsident um Veto gegen In-Vitro-Gesetz

In Polen kommt es zu einem offenen Streit zwischen der katholischen Kirche und der neuen Mitte-Links-Regierung von Donald Tusk.
Kirche bittet Polens Präsident um Veto gegen In-Vitro-Gesetz

Warschau (Symbolfoto:Websi/Pixabay)

In Polen kommt es zu einem offenen Streit zwischen der katholischen Kirche und der neuen Mitte-Links-Regierung von Donald Tusk. Die Kirche forderte Staatspräsident Andrej Duda auf, das vom Parlament beschlossene Gesetz zur Kostenübernahme von künstlichen Befruchtungen zu blockieren. In dem am Freitag veröffentlichten Brief des Vorsitzenden der Bischofskonferenz, Erzbischof Stanislaw Gadecki, an Duda heißt es, In-vitro-Fertilisationen seien ein „Experiment am Menschen, dessen eigentümliche ‚Produktion‘ eine ‚Form der Besitzergreifung des menschlichen Lebens‘ darstellt“.

Gadecki bittet das Staatsoberhaupt, dem Gesetz entweder seine Unterschrift zu verwehren oder es dem Verfassungsgericht vorzulegen. Duda hat ein Vetorecht gegen neue Gesetze. Tusks Regierungskoalition fehlt im Unterhaus des Parlaments eine eigene Drei-Fünftel-Mehrheit, um ein Nein des Präsidenten aufheben zu können. Das Verfassungsgericht ist in Polen sehr umstritten, weil mehrere Richter nicht ordnungsgemäß berufen worden sein sollen.

Der Sejm (Unterhaus) hatte Ende November auf Antrag einer erfolgreichen Volksinitiative beschlossen, dass zeugungsunfähigen Paaren ab Juni 2024 die Kosten für künstliche Befruchtungen erstattet werden. Dafür stimmten neben der Mitte-Links-Koalition auch 23 Abgeordnete der rechtskonservativen PiS. Die Bischofskonferenz hatte das Parlamentsvotum zunächst nicht kommentiert.

Bei der In-vitro-Methode wird eine der Frau zuvor entnommene Eizelle im Reagenzglas mit Sperma des Mannes in Verbindung gebracht. Gadecki schreibt in seinem Brief, der vom Mittwoch datiert, in der Regel würden nicht alle so erzeugten Embryonen in die Gebärmutter der Frau übertragen. Manche Embryonen würden als „überzählig“ deklariert und zerstört oder eingefroren. Auch ein Teil der in den Mutterleib übertragenen Embryonen würde nach „eugenischen Selektionskriterien“ vernichtet, so der Erzbischof von Posen (Poznan). „Wir haben es also im Rahmen von Methoden, die vorgeblich dem Leben dienen sollen, mit einer absichtlichen selektiven Abtreibung zu tun.“

Gadecki unterstrich: „Unfruchtbarkeit ist eine schwere Prüfung“. Er plädiert für ein „nationales Programm für eine echte Behandlung von Unfruchtbarkeit“. Die Beseitigung der medizinischen oder psychologischen Ursachen von Unfruchtbarkeit böten eine viel bessere Chance auf die Geburt eines gesunden Kindes als künstliche Befruchtungen. Gadecki sagte zugleich, die mit Hilfe der In-vitro-Methode gezeugte Kinder verdienten ebenso Liebe und Respekt wie natürlich gezeugte.

Der Co-Vorsitzende der Linken, Robert Biedron, kritisierte Gadeckis Brief scharf. Er erklärte: „Die Sitte, dass die Kirche über die Politik des Staates entscheidet, ist vorbei.“

kna