Rheinische Landeskirche: 70 erwiesene Missbrauchsfälle seit 1946

Die Evangelischen Kirche im Rheinland (EKiR) verzeichnet bislang 70 erwiesene Fälle von sexuellem Missbrauch in den eigenen Reihen seit 1946.
Rheinische Landeskirche: 70 erwiesene Missbrauchsfälle seit 1946

Präses Dr. Thorsten Latzel –Foto: Evangelische Kirche im Rheinland

Die Evangelischen Kirche im Rheinland (EKiR) verzeichnet bislang 70 erwiesene Fälle von sexuellem Missbrauch in den eigenen Reihen seit 1946. Ein Drittel der bekannten Taten wurden von Pfarrerinnen und Pfarrern, ein Drittel von anderen Kirchenmitarbeitern wie Hausmeistern, Lehrern oder Kantoren und ein Drittel von ehrenamtlich Mitarbeitenden begangen. Das sagte Vizepräses Christoph Pistorius am Donnerstag vor Journalisten in Düsseldorf.

Zwischen 2021 und 2023 gingen nach Angaben von Pistorius in der Meldestelle der Landeskirche 76 Verdachtsmeldungen ein. Sie hätten sich aber nicht in allen Fällen bestätigt, ergänzte Kirchensprecher Daniel Meier.

In der kommenden Woche soll in Hannover die so genannte ForuM-Studie vorgestellt werden, die einen grundlegenden Überblick über den Missbrauch in der Evangelischen Kirche in Deutschland geben soll. Für diese Studie wurden in der rheinischen Landeskirche Kirche laut Pistorius nur die Personalakten von Geistlichen eingesehen. “Die Akten von Jugendmitarbeitern, die bei einer Gemeinde angestellt sind, liegen vor Ort”, sagte der Vizepräses. “Für Ehrenamtliche gibt es gar keine Personalakten.” Hätte man auch die Personalakten in den Gemeinden einsehen wollen, wäre das Vorhaben der Studie nicht im vorgegebenen zeitlichen Rahmen machbar gewesen.

Pistorius bedauerte, dass in der evangelischen Kirche zu wenig über Macht gesprochen werde. Oft betonten die Protestanten, “Geschwister im Glauben zu sein” oder höben hervor, dass ihre Ämter auf Zeit vergeben würden. “Wir müssen angemessener über Macht reden.” Es reiche nicht zu sagen: “Bei uns kommt das nicht vor.” Der Präses der Evangelischen Kirche im Rheinland, Thorsten Latzel, betonte, dass sexualisierte Gewalt allem widerspreche, woran die evangelische Kirche glaube und wofür sie stehe. “Wir setzen uns intensivst dafür ein, dass das nicht mehr geschieht, auch wenn wir es nie ganz werden ausschließen können.”

Latzel sprach von einem dauerhaften Lernprozess: “Der Umgang mit Religion, Macht und Missbrauch muss immer wieder hinterfragt werden.” Es handle sich um einen dauerhaften Lernprozess. Selbstkritisch sei aber festzuhalten, “dass wir viele Lernschritte zu langsam vollzogen haben”. Die im Jahr 2002 verabschiedeten Leitlinien zur Prävention hätten nicht umgehend Wirkung entfaltet. “Menschen auf allen Ebenen unserer Kirche waren oft noch geprägt von einem Geist, der dem Schutz des Ansehens der Kirche oder von Amtsträgern einen zu hohen Stellenwert einräumt, höher als dem Leid von Betroffenen.”

Die Evangelische Kirche im Rheinland erstreckt sich über Teile von Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, Hessen und des Saarlands. Mit rund 2,2 Millionen Mitgliedern zählt sie zu den größten Gliedkirchen der EKD.

kna