Abgeordnete mehrerer Bundestagsfraktionen planen einen neuen Anlauf zu einer grundlegenden Reform der Organspende in Deutschland.
Berlin – Abgeordnete mehrerer Bundestagsfraktionen planen einen neuen Anlauf zu einer grundlegenden Reform der Organspende in Deutschland. Wie das ARD-Hauptstadtstudio am Samstag berichtete, unterstützt auch Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) die Pläne zur Einführung einer Widerspruchslösung. Sie würde das Leben tausender Menschen besser machen, so der Minister.
Eine Widerspruchslösung bedeutet, dass man einer potenziellen Organentnahme nach dem Tod aktiv widersprechen muss. Bislang gilt in Deutschland eine Zustimmungslösung: Organspenden sind nur dann möglich, wenn der potenzielle Spender ausdrücklich zugestimmt hat. Auch NRW-Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann (CDU) will kommende Woche eine Bundesratsinitiative für eine Widerspruchslösung vorstellen. 2020 hatte der Bundestag eine solche Lösung abgelehnt.
Deutschland im unteren Tabellendrittel
Befürworter erhoffen sich durch eine Widerspruchslösung mehr Organspenden in Deutschland. Sie verweisen darauf, dass die prinzipielle Bereitschaft zur Organspende in der Bevölkerung hoch sei. Gleichzeitig würden viele mögliche Transplantationen daran scheitern, dass die Bürger ihren Willen zur Spende nicht dokumentierten und Angehörige im Zweifel eine Organentnahme widersprächen. Die Bundesrepublik liegt im internationalen Vergleich bei der Zahl der Spenden im unteren Tabellendrittel.
Kritiker der Widerspruchslösung verweisen darauf, dass jede medizinische Behandlung in Deutschland der ausdrücklichen Zustimmung des Patienten bedürfe. Dieser Grundsatz dürfe im Fall der Organspende nicht aufgehoben werden.
Laumann verweist darauf, dass europäische Staaten mit einer Widerspruchslösung eine höhere Zahl an Organspenden hätten als Deutschland. Er sei davon überzeugt, dass jeder Mensch, der sich selbst über eine Organspende freuen würde, „auch bereit sein müsste, Organspender zu sein“. Die Bereitschaft, Organe nach dem Tod zur Verfügung zu stellen, sei ein „Liebesbeweis an die Menschheit“.
Online-Register seit März
Einem Erwachsenen könne man zumuten, sich damit auseinanderzusetzen und seinen Willen zu dokumentieren, wenn er Organe nicht spenden wolle, so der NRW-Minister. Wenn jemand keine Organspende wünsche, sei das „selbstverständlich moralisch und in jeder Hinsicht akzeptabel und in Ordnung“.
Seit Mitte März können die Menschen in Deutschland ihre Entscheidung für oder gegen eine Organspende in einem Online-Register eintragen. Der Eintrag ist freiwillig und kostenlos, er kann jederzeit geändert werden. Letztlich ist das Register auch ein Versuch, die Zahl der Organspender zu erhöhen.
Im vergangenen Jahr haben 965 Menschen in Deutschland nach ihrem Tod ein oder mehrere Organe gespendet. 8.400 Menschen warten auf ein neues Organ. Bisheriger Tiefpunkt der Organspendebereitschaft war 2017: Damals gab es 797 Spender.