St. Dionysius: Übergänge schaffen

St. Dionysius hat am vergangenen Samstag in der Kirche St. Johannes Bosco das Votum zum Pfarreientwicklungsprozess (PEP) öffentlich gemacht. Damit stellte sie als letzte der Essener Pfarreien ihre Pläne für die Zukunft vor.

Die finanzielle Planung stellte bei der Pfarrversammlung Thorsten Kontny vor. (Foto: Ulrike Beckmann)

1988 war es, als Pastor Dr. Ulrich Seng mit einem Mitglied der Diözesanleitung über die zukünftige Entwicklung gesprochen hatte: „Kirche hat einen viel zu großen Mantel“, hatte es da seitens der Diözesanleitung bereits geheißen. Erst jetzt, 30 Jahre später, würden die Konsequenzen gezogen, betonte Seng auf der Pfarrversammlung von St. Dionysius, bei der am vergangenen Samstag in der Kirche St. Johannes Bosco das Votum zum Pfarreientwicklungsprozess (PEP) öffentlich gemacht wurde. Damit stellte auch die letzte der Essener Pfarreien ihre Pläne für die Zukunft vor.

Pastor Seng, der zurzeit als Pfarradministrator die Pfarrei leitet, da Dr. Jürgen Cleve in der Vorwoche als Pfarrer verabschiedet worden war, sprach von einer „gewaltigen Abnahme an Kirchlichkeit“. Und bei einem Blick nach links und rechts müssten den Versammelten überwiegend graue Köpfe auffallen, eine „Versammlung von Großeltern“, es fehlten „die Leute, die 2030 noch da sind“. Es würden wohl kleine Gruppen sein, die sich bis dahin auch in einem anderen Rahmen zusammenfinden. Mit dem Pfarreientwicklungsprozess sei versucht worden, darauf zu reagieren.

Dr. Jürgen Cleve, der trotz Verabschiedung bei der Versammlung Rede und Antwort stand, knüpfte gedanklich daran an. Auch die nächste Generation brauche Orte des Glaubens, und trotz Kirchenschließungen könne eine Pfarrei nicht nur zentral funktionieren. St. Dionysius wolle aber nicht mehr innerhalb der alten Gemeinde-Grenzen arbeiten, sondern regional in den sich ohnehin ergebenden Sozialräumen Bochold/Borbeck, Bergeborbeck/Vogelheim und Dellwig/Gerschede. Grenzen nach innen solle es dabei nicht geben. In allen drei Regionen werde es jeweils einen geeigneten Gottesdienstraum geben. Außerdem sollen Ehrenamtliche dazu befähigt werden, Gottesdienste zu leiten, sowie neue Formen der Liturgie entwickelt werden. Schließlich werde die Borbecker Pfarrei bis 2030 vermutlich mit nur noch zwei Priestern auskommen müssen. Es müssten einem nicht alle Orte gehören, an denen Menschen sich treffen, öffnete Cleve den Blick auf neue Lösungen. Es sei möglich, mit anderen zu teilen oder andere einzuladen.

Kroatische Gemeinde kommt in St. Maria Rosenkranz unter

Ganz konkret wird das bereits mit den Plänen in der Region Bergeborbeck/Vogelheim. Da die St.-Thomas-Morus-Kirche aufgegeben und das Grundstück vermarktet wird, wird dort die Zusammenarbeit mit der evangelischen Kirchengemeinde Borbeck-Vogelheim gesucht. Im evangelischen Markushaus an der Forststraße soll ein ökumenisches Zentrum entstehen, da auch die evangelische Gemeinde an einer Zusammenarbeit interessiert ist. Die kroatische Gemeinde wird dann ab Mitte des Jahres in St. Maria Rosenkranz unterkommen, die für die nächsten fünf Jahre weiterbestehen und über deren Zukunft dann neu entschieden wird. Denn durch das zurzeit entstehende Stadtquartier am Kruppgürtel zwischen Nordviertel, Borbeck und Altendorf, sei die Entwicklung vor Ort noch nicht absehbar.

Fester Standpunkt in der Region Dellwig/Gerschede bleibt die Kirche St. Michael, für die eine Zusage über zehn Jahre allerdings nicht gemacht wird. In der Region Bochold/Borbeck wird die Kirche St. Dionysius mit allen anliegenden Gebäuden bestehen bleiben, während St. Johannes Bosco und St. Fronleichnam in die sogenannte und vom Bistum vorgenommene Kategorie C2 fallen, was so viel heißt wie: Diese Kirchen erscheinen für die pastorale Entwicklung der Pfarrgemeinde nicht unbedingt notwendig. Die Kirche St. Johannes Bosco soll bis spätestens 2020 einer anderen Nutzung zugeführt werden, die Kirche St. Fronleichnam, die unter Denkmalschutz steht, könnte als Gebäude erhalten bleiben und als sozialpastorales Zentrum umgenutzt werden. Ob diese Lösung finanzierbar ist, muss noch geprüft werden, heißt es im Votum.

Würde die Pfarrei an ihrer Haushaltssituation nichts ändern und mit den Kirchen nicht die größten Kostenträger in den Blick nehmen, läge bis 2030 ein Defizit von Minus 521000 Euro vor, erklärte  Thorsten Kontny vom Kirchenvorstand. Mit Umsetzung der Maßnahmen sei bis 2030 mit einem ausgeglichenen Haushalt zu rechnen.

Offen für Neues sein

Kritische Töne waren nach der Vorstellung des Votums kaum zu vernehmen. Moderiert von Sabine Köther, pastorale Begleiterin des PEP in St. Dionysius durch das Bistum Essen, hatten die Zuhörer im Plenum Gelegenheit, sich zu den Inhalten zu äußern. Mangelnde Transparenz und zu wenige Informationen über die drei Jahre wurden an einer Stelle laut, verbunden jedoch mit dem konstruktiven Vorschlag, zukünftig nicht nur einen Pfarrgemeinderat, sondern auch „Regionalräte“ wählen zu können.

Unsicherheit war bei Gläubigen aus St. Johannes Bosco zu erkennen, die nicht wussten, wie es bis 2020 mit Vereinen und Gruppen in ihrer Gemeinde weitergehen werde. Eine Prognose sei diesbezüglich kaum möglich, meinte Cleve. Doch grundsätzlich solle die weitere Entwicklung auf Standorte geprägt sein, die Bestand haben. Dem entsprach ein weiterer Gläubiger aus St. Johannes Bosco. In den vergangenen Jahren habe er in der Pfarrei nie ein „gemeinsames auf dem Weg sein“ erkennen können. „Jetzt haben wir die Chance, das aufzubrechen“, betonte er, „Wir müssen Übergänge schaffen und offen für Neues sein“, womit er allgemeinen Applaus erntete, ebenso wie für seinen Einwand, die Jugend fördern zu müssen.

Weitere Stimmen betonten die Wichtigkeit, die neue Struktur mit Leben zu füllen und notwendige Informationen allen zur Verfügung zu stellen. Sabine Köther brachte es schließlich auf den Punkt: Es gehe nicht einfach darum, bestehende Angebote herüberzuretten und Gruppen und Vereine, die ihre bisherigen Standorte verlören, an anderer Stelle aufzunehmen. „Sie müssen gemeinsam neu starten“, gab sie den fast 200 Besuchern der Versammlung mit auf den Weg.

Ulrike Beckmann