Hoffnungen und Spekulationen machten sich breit: Wird der Papst den Zölibat lockern? Welche Rolle denkt er den Frauen zu? Heute ist das mit großer Spannung erwartete nachsynodale Schreiben „Querida Amazonia“ (Geliebtes Amazonien) zusammen mit dem Abschlussdokument der Amazonas-Synode offiziell veröffentlicht worden. Zusammen mit seinem nachsynodalen Schreiben „Querida Amazonia“ (Geliebtes Amazonien) hat Papst Franziskus das Abschlussdokument der Amazonas-Synode „offiziell präsentiert“. Was diese Doppelstrategie bedeutet, beleuchten Fragen und Antworten rund um den mit Spannung erwarteten Text des Papstes.
Krempelt Papst Franziskus die katholische Kirche um, wie es im Vorfeld von manchen erhofft, von anderen befürchtet wurde?
Eindeutig nein. Es wird vorerst weder die Lockerung des Zölibats noch die Diakonen- oder gar Priesterweihe für Frauen geben. Den Vorschlag der Bischofssynode, eine Priesterweihe für verheiratete Diakone einzuführen, empfiehlt er zur Lektüre, ohne ihn in sein eigenes Schreiben zu übernehmen.
Welchen Stellenwert hat das Schreiben? An wen ist es gerichtet?
„Querida Amazonia“ ist die vorläufige Antwort und Deutung des Papstes zu den Überlegungen, die durch die Amazonas-Synode angestoßen wurden. Diese sollen ausdrücklich weitergehen. Franziskus macht sich weder das Abschlussdokument der Synodenteilnehmer unmittelbar zu eigen, noch will er es ersetzen durch seine Aussagen. Die ersten drei Kapitel richten sich „an alle Menschen guten Willens“, das vierte Kapitel über die Kirche in Amazonien vornehmlich an Kirchenverantwortliche und Katholiken.
Was sind die wichtigsten Aussagen des Papstes?
Die Kirche stehe auf der Seite der Schwachen und Unterdrückten. Angesichts der dramatischen Lage für Menschen und Natur brauche es einen respektvollen Dialog aller Beteiligten und energisches Handeln. Dabei wendet sich der Papst gegen jede romantische Verklärung. Indigene Kultur und moderne Technik müssten sich zu nachhaltiger Entwicklung ergänzen. Die Kulturen Amazoniens hätten ihre eigene Würde. Die Kirche dort müsse dies noch stärker beachten: bei der Ausbildung ihrer Mitarbeiter, in der Leitung von Gemeinschaften, in Seelsorge und Liturgie. Ausnahmen von der Zölibatspflicht für Priester oder Weiheämter für Frauen seien dabei kein angemessener, erst recht kein vorrangiger Weg.
Wie geht es weiter mit dem Zölibat, also der Pflicht zur Ehelosigkeit für katholische Priester?
Zunächst bleiben die bisherigen Regelungen bestehen: In der römisch-katholischen Kirche des westlichen Ritus können nur unverheiratete Männer zu Priestern geweiht werden, in den katholischen Ostkirchen auch verheiratete. Auch können anglikanische und evangelische verheiratete Geistliche, die übertreten, katholische Priester werden. Für die römische Kirche hält der Papst die Diskussion offen; aber gegen den Priestermangel in entlegenen Gebieten empfiehlt er erst einmal andere Maßnahmen. Auch wenn die Öffentlichkeit stark darauf schaut, spielte das Thema Zölibat auf der Synode selbst wie im aktuellen Papstschreiben nur eine Nebenrolle.
Öffnet Franziskus Türen für innerkirchliche Reformen, etwa bei der Rolle der Frauen in der Kirche oder bei der Mitarbeit von Laien?
Franziskus fordert Reformen, nur stellt er sich darunter etwas anderes vor als viele andere. Ein Weiheamt für Frauen, etwa ein weibliches Diakonat, empfiehlt er nicht. Er will aber, dass die Kirche vor Ort spezifisch weibliche, institutionalisierte und öffentlich anerkannte Dienste und Aufgaben entwickelt, zu denen Frauen eigens beauftragt werden. Damit sollen sie auch Leitungsverantwortung erhalten und mitentscheiden. Das Gleiche gilt für männliche Laien.
Warum sagt der Papst nicht deutlich Ja oder Nein zu den strittigen Themen?
Zum einen hält er bestimmte Fragen noch nicht reif für eine definitive Entscheidung und möchte, dass die Anhänger der verschiedenen Meinungen weiter gemeinsam darum ringen. Zum anderen ist er dagegen, alles in der Kirche von Rom aus zu entscheiden. Bestimmte Dinge sollen unterschiedlich gehandhabt werden können, um den seelsorglichen und kulturellen Situationen vor Ort besser gerecht zu werden. Als Papst will er gewisse Verschiedenartigkeiten zulassen, zugleich aber verhindern, dass sich Gruppen voneinander trennen. Im Übrigen hat die katholische Weltkirche schon in früheren Jahrhunderten nicht alles einheitlich geregelt.
Was sagt der Papst zu den Umwelt- und Menschenrechtsproblemen in Amazonien?
Franziskus wiederholt seine scharfe Kritik an bloß profitorientierter Ausbeutung der Umwelt und an der Zerstörung indigener Völker und Kulturen. Er ist gegen eine völkerrechtliche Internationalisierung Amazoniens als Grüne Lunge des Planeten, wie sie einige Synodenteilnehmer gefordert hatten. Vielmehr fordert er die Nationalstaaten auf, ihrer Verantwortung für das Gemeinwohl aller gerecht zu werden. Franziskus setzt auf eine Synthese traditionellen Wissens indigener Völker und den Erkenntnissen moderner Wissenschaft, um den Amazonas als Lebensraum nachhaltig zu nutzen. In diesem Sinn solle die Kirche prophetisch mahnen und solidarisch mit den Armen handeln.
Was bedeutet das Schreiben für den Reformdialog Synodaler Weg in Deutschland?
Franziskus möchte, dass die gesamte Weltkirche von den Diskussionen und Erfahrungen Amazoniens lernt. Jeweilige Konsequenzen müsste sich die Kirche in Deutschland oder andernorts aber selbst erarbeiten. „Querida Amazonia“ gibt dafür neue Impulse. Für den Synodalen Weg könnte das heißen: Änderungen beim Zugang zu kirchlichen Ämtern allein greifen zu kurz. Das Priesteramt bleibt unersetzlich, soll aber auf seinen rein religiösen Wesenskern konzentriert werden. Für mehr Mitverantwortung von Frauen und anderen Nichtklerikern in Diözesen und Gemeinden sollten neue Formen gesucht werden. Die Kultur und Lebenswelt der Menschen solle überzeugend mit der christlichen Botschaft in Verbindung gebracht werden.