Während der Corona-Krise beginnt die kirchliche Frauenprotestbewegung Maria 2.0 eine neue Aktionswoche im Mai, aber „wohl nur plakativ und virtuell“. Das kündigte Mitinitiatorin Elisabeth Kötter in der vorigen Woche an. Man wolle „real noch Abstand halten. Auch von Hostien-Zangen, Gottesdienst-Anmeldungen und ‚Altarbühnen‘.“ Im September wolle man dann wieder vor den Kirchentüren protestieren: „Hoffentlich. Mit viel Weib und Gesang in Realpräsenz“.

Maria 2.0: Prostest in Wattenscheid-Höntrop (Foto: Andre Przybyl)
In Wattenscheid-Höntrop gab es an diesem Sonntag rund um die Kriche St. Maria Magdalena zwischen 10 und 11 Uhr eine kleinere Veranstaltung, für die Verantwortlichen bewusst nicht groß geworben hatten, so Mitorganisatorin Dorothea Schönwälder. „Angesichts der bestehenden Gefährdung und trotz der Ankündigungen von Lockerungen jetzt durch verschiedene Bundesländer möchten wir so unsere Verantwortung für Gefährdete und Risikogruppen wahrnehmen.“
Auf Plakaten und als wandernde Litfassäulen machten die Frauen zwischen den beiden Wortgottesfeiern in St. Maria Magdalena auf ihre Anliegen für eine zukunftsfähige Kirche aufmerksam. „Wegen der pandemischen Auflagen wollen wir nicht Gefahr laufen, bei einer größeren Versammlung Menschen anzustecken. So wird jede und jeder mit einem Plakat kommen und wir marschieren im Gänsemarsch. Wir verkünden so unsere Forderungen zur Geschlechtergerechtigkeit, zu Frauen in der Kirche und formulieren unsere Sehnsüchte für die kirchliche Zukunft“, so Schönwälder. Für diese Woche ist noch eine weitere Aktion am Kolumbarium geplant.„Bei gutem Wetter bilden Menschen nach den gültigen Regeln auch eine Kette um die Kirche“, sagt sie. Dabei werde auch das „Schritt für Schritt“-Gebet für Reformen in der Kirche gesprochen.
Laut Elisabeth Kötter ist Maria 2.0 seit der ersten Protestaktion im vergangenen Mai zu einem Synonym für Feminismus und den Kampf um Gleichberechtigung in der Kirche geworden. Besonders betonte sie die Vielseitigkeit, die die Protestbewegung seitdem angenommen habe. Einige Mitglieder kämpften für das Weiheamt der Frauen, andere sähen die Weihe als das eigentliche Problem. „Das Netz schwingt frei, mit losen Enden zum Anknüpfen“, so Kötter weiter. Trotz einiger Gegenproteste hätten sie dafür vor allem viel Zuspruch bekommen.
Die kirchliche Frauenprotestbewegung Maria 2.0 setzt sich für die Zulassung von Frauen zu allen Weiheämtern, die Aufhebung des Pflichtzölibats sowie die vollständige und transparente Aufklärung von Missbrauchsfällen in der katholischen Kirche ein. Sie wurde im Januar 2019 von fünf Frauen aus der Gemeinde Heilig Kreuz in Münster gegründet und rief im vergangenen Mai Frauen bundesweit zu Kirchenstreiks auf. Bei einer zweiten Aktionswoche im September wurde von Streiks abgesehen. Stattdessen gab es Diskussionen, Menschenketten, Gottesdienste und andere Veranstaltungen.
„Ein hoffnungsvoller Weg“
Maria 2.0 macht trotz Corona-Krise auf ihre Anliegen aufmerksam. Dorothea Schönwälder spricht über Erreichtes und den Blick in die Zukunft
Nach intensiven Vorbereitungen in Münster startete Maria 2.0 bundesweit öffentlich im Mai 2019 mit der großen deutschlandweiten Protestwoche. Wie haben sich der Protest und die Initiative aus Ihrer Sicht seither entwickelt?
Schönwälder: Entscheidend war für uns in der ersten Jahreshälfte 2019, dass wir Schwung aufnehmen und ihn mitnehmen konnten für unsere wichtigen Anliegen. Ausgelöst wurden unsere Proteste ja in erster Linie durch die Veröffentlichungen des jahrzehntelang verschwiegenen und vertuschten Missbrauchsskandals in unserer Kirche. Nach diesem Schock war uns klar: Unsere Geduld ist am Ende! Diese Verbrechen und die zementierten männerbündischen Machtstrukturen in der Kirche fordern besonders uns Frauen zum Handeln heraus. Neben der lückenlosen Aufklärung aller Missbrauchsfälle mit den entsprechenden strafrechtlichen Konsequenzen und einer angemessenen Entschädigung der Opfer, fordern wir eine grundlegende Erneuerung unserer Kirche.
Wie ist die Stimmung heute und wie war sie in der zweiten Phase der Aktionen seit Sommer letzten Jahres?
Schönwälder: Wir haben Auftrieb gespürt und wissen, dass wir alle noch mutiger werden müssen, wenn es um die Zukunft unserer Kirche geht. Viele Frauen und auch Männer, die lange mit Kritik an der Kirche zurückhaltend waren, spüren nach Entsetzen, Wut und tiefer Enttäuschung nun eine große Kraft. Wir alle müssen unsere Stimme erheben für eine menschen- und geschlechtergerechte Kirche. Als Frauen und Männer ergreifen wir das Wort und kämpfen, bevollmächtigt durch Taufe und Firmung, für Gleichberechtigung und Würde aller in der Kirche – mit einem langen Atem!
Haben Parteiungen rund um den Protest, die mancherorts in der ersten Phase zu spüren waren, Bestand?
Schönwälder: Das ist allgemeingültig nur schwer zu beantworten: In jeder einzelnen Gemeinde, die mitmacht, kann es unversöhnt oder auch friedlich zugehen. Für Wattenscheid kann ich sagen, dass es im Wesentlichen nur eine Person gibt, die dauerhaft in Mails polemisiert und engagierte Frauen mit äußerst abwertenden Äußerungen verunglimpft. Das Team unserer Seelsorgerinnen und Seelsorger erfahren wir durchaus als Verbündete auf einem langen Weg.
Wie sehen Sie das Schreiben des Papstes zur Amazonassynode, der in Bezug auf die Frauen keine Vorgabe zur Diakonatsfrage anspricht, aber sich einen stärkeren Fokus auf weibliche Werte wünscht?
Schönwälder: Wir waren enttäuscht. Wir wollen nicht wieder und ausschließlich auf die „Kraft und Zärtlichkeit Mariens“ (Papst Franziskus) verwiesen werden. Das ist eine verkürzte Sicht auf uns als Frau mit unseren vielfältigen Möglichkeiten. Wir möchten Mitarbeit auf Augenhöhe, gleichberechtigt Verantwortung tragen, mitentscheiden und so als bevollmächtigte Mitglieder des Volkes Gottes für die Kirche und ihre Frohe Botschaft eintreten.
Hat nach dem Schreiben die Hoffnung auf Reformen für die Kirche der Zukunft aus Ihrer Sicht einen Dämpfer bekommen?
Schönwälder: Es gibt weder Dämpfer noch eine teilweise Blockierung des Prozesses und unseres konstruktiven Protestes. Der Beginn des synodalen Weges und die Wahl von Bischof Bätzing zum Vorsitzenden der Deutschen Bischofskonferenz zeigen uns, dass wir richtig liegen, wenn wir uns nicht entmutigen lassen. Vielleicht gelingt es uns sogar zunehmend, mit den reformwilligen Bischöfen gemeinsam für Veränderungen in unserer Kirche zu kämpfen. Im Bistum Essen sehen wir uns da bereits auf einem hoffnungsvollen Weg.
Was hat sich 2020 bei Maria 2.0 und für Frauen verändert?
Schönwälder: Wir sind mit Frauen und Männern in vielen Gemeinden und zunehmend auch mit kirchlichen Verbänden und Räten vernetzt. Hier sind ganz besonders der Diözesanverband der kfd und der Stadtkatholikenrat von Bochum und Wattenscheid zu nennen. Dieses Netzwerk wollen und müssen wir weiterentwickeln. Es geht darum, im Dienst einer zukunftsfähigen und geschlechtergerechten Kirche ein viel zu lange praktiziertes Schweigen zu brechen. Ganz besonders froh waren und sind wir über die Ermutigung unseres Generalvikars Klaus Pfeffer. Sechs Frauen der Initiative Maria 2.0 aus unserem Bistum hatten im Januar ein Gespräch mit ihm. Er sagte uns: „Wir brauchen eine gesunde Unruhe in unserer Kirche, eine engagierte und offene Diskussion, gegenseitiges Zuhören und Verstehen, aber auch das Aushalten unterschiedlicher Positionen. In den gegenwärtigen Reformdebatten ist es wichtig, dass sich die breite Mehrheit deutlich zu Wort meldet, die sich für eine offene, menschenfreundliche und vielfältige Kirche einsetzt.“
Interview: Ulrich Wilmes
Ähnliche Beiträge