Der Essener Bischof Franz-Josef Overbeck hat das neue Vatikan-Schreiben zu Reformen in Kirchengemeinden kritisiert. Das Bistum Essen wird demnach seinen umfassenden Erneuerungsprozess fortsetzen. Das stellte der Bischof k am Donnerstag, 23. Juli, in Essen ausdrücklich klar.
- Bischof Franz-Josef Overbeck. (Foto: Bistum Essen)
„Es befremdet mich sehr, dass ein solches Dokument ohne Vorankündigung und Berücksichtigung der tatsächlichen Situation in den jeweiligen Ortskirchen veröffentlicht wird“, kritisierte der Essener Bischof mit deutlichen Worten. Dies widerspreche auch der von Papst Franziskus immer wieder betonten Bedeutung des synodalen Miteinanders in der katholischen Kirche. „Wir setzen uns in der deutschen Kirche gerade intensiv mit der Frage auseinander, wie wir in einer radikal veränderten Gesellschaft das Evangelium in einer Weise leben und verkündigen können, die für möglichst viele unterschiedliche Menschen anziehend und einladend ist“, sagte Overbeck.
„Keinerlei Interesse und Verständnis für die Situation vor Ort“
Unzählige engagierte Christinnen und Christen in den Gemeinden, Verbänden und Gemeinschaften müssten sich dabei gravierenden Problemen stellen. Denn es sei offensichtlich, dass die Kirchengestalt der Vergangenheit aus vielerlei Gründen nicht mehr zu halten sei. Auf all diese Menschen, die sich „aus tiefstem Herzen für die Zukunft der katholischen Kirche einsetzen und nach Lösungen schwieriger Fragen suchen“, wirke ein solches Dokument irritierend und verletzend, weil es keinerlei Interesse und Verständnis für die Situation vor Ort zeige.
„Die Instruktion nimmt in keiner Weise zur Kenntnis, dass wir in Deutschland – aber auch in vielen anderen Ländern der Weltkirche – kirchliches Leben nicht mehr nach den Mustern der bisher bekannten Volkskirche gestalten können“, unterstrich Bischof Overbeck. „Wir leben in pluralen, freiheitlichen Gesellschaften, in denen christlicher Glaube nur in Vielfalt und Offenheit zukunftsfähig sein wird.“ Dazu gehöre auch, sich von einem Klerikalismus zu verabschieden, der nicht zuletzt nach den Skandalen des vielfältigen klerikalen Machtmissbrauchs zurecht keine Akzeptanz mehr finden dürfe.
Overbeck: Forderungen sind faktisch nicht realisierbar
„Ich bin außerordentlich froh über das große Engagement vieler Frauen und Männer, die ehrenamtlich wie hauptberuflich in unserer Kirche auf allen Ebenen mitarbeiten – und die selbstverständlich auch in leitenden Funktionen ihren Dienst tun“, betonte der Bischof von Essen. Die Vielfalt der pastoralen Dienste sei ein großer Reichtum und ebenso das Miteinander von Hauptberuflichen und Ehrenamtlichen; von Bischöfen, Priestern, Diakonen, Ordensleuten und den unzähligen nicht geweihten Gläubigen, die sich aus dem Bewusstsein ihrer Taufe und Firmung für ein lebendiges Christentum und eine glaubwürdige Kirche einsetzen.
Der sich dramatisch verschärfende Priestermangel ist für Bischof Overbeck zudem ein klares Signal, dass es überhaupt keine Alternative zu den laufenden Erneuerungsprozessen gebe. „Das, was das Dokument einfordert, ist faktisch gar nicht zu realisieren, weil es die Priester gar nicht mehr gibt, die allein zahlenmäßig benötigt würden, um all den Vorgaben zu entsprechen“, erklärte der Bischof. Dies zeige, wie notwendig ein echter Dialog der römischen Behörden mit den Ortskirchen wäre, bevor solche Dokumente veröffentlicht würden. Unabhängig davon mache dieser Vorgang aber auch deutlich, wie dringend notwendig eine Diskussion über das Verständnis des priesterlichen Dienstamtes für die Zukunft geworden ist.
Handeln aus missionarischer Überzeugungskraft
„Für das Bistum Essen werden wir unsere Prozesse der Erneuerung und Veränderung fortsetzen – so schwierig und so schmerzhaft sie auch manchmal sind“, versicherte Overbeck. Er schätze das Engagement „unserer Priester und Diakone, von denen viele oft weit über ihre Belastungsgrenze im Einsatz sind; aber genauso bin ich froh und stolz auf die vielen nicht-geweihten Frauen und Männer, die die Kirche im Ruhrbistum lebendig erhalten!“ Er wisse, wie sehr die Gläubigen im Ruhrbistum, aber auch in der gesamten Kirche in Deutschland aus einer missionarischen Überzeugungskraft heraus handeln. „Die vielen Debatten und das gemeinsame geistliche Leben in unseren Bistumsprozessen wie auch jetzt beim Synodalen Weg auf der Bundesebene sind vom Geist des Evangeliums angetrieben – das macht mir mit ganz vielen anderen Gläubigen großen Mut, auf einem guten Weg zu sein“, erklärte Bischof Overbeck.