Missbrauch: Kardinal Marx gründet Stiftung

Mit einer aus seinem Privatvermögen dotierten Stiftung will der frühere Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz Missbrauchsopfer unterstützen. Die Initiative von Kardinal Marx könnte weitere Kreise ziehen.
Mit einer aus seinem Privatvermögen dotierten Stiftung will der frühere Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz Missbrauchsopfer unterstützen. Die Initiative von Kardinal Marx könnte weitere Kreise ziehen.

Reinhard Kardinal Marx (Foto: Wolfgang Roucka/Erzbischöfliches Ordinariat München [CC BY-SA 3.0/Wikimedia])

Der Münchner Kardinal Reinhard Marx gründet mit 500.000 Euro eine gemeinnützige Stiftung für Menschen, die in der Kirche sexuell missbraucht wurden. Es ist nicht nur deshalb ein aufsehenerregender Schritt, weil Marx dafür, wie er am Freitag bekanntgab, “den allergrößten Teil” seines Privatvermögens einsetzt, das er als Institutsdirektor, Professor und Bischof verdient hat.

„Hoffnung und Heilung im Herzen der Kirche“

In einem zeitgleich in der katholischen britischen Wochenzeitschrift “The Tablet” veröffentlichten Beitrag unter der Überschrift “Hoffnung und Heilung im Herzen der Kirche” wird das ehrgeizige Ziel der Initiative deutlich. Hoffnung und Heilung ist die deutsche Übersetzung des Stiftungsnamens “spes et salus”. Es gehe um nichts weniger als eine “kopernikanische Wende” im Verhältnis der Kirche zu den Überlebenden von Missbrauch, heißt es in “The Tablet”. Diese hätten in der Vergangenheit seitens der Kirche oft Ablehnung und Verschleierung erfahren. Sie seien aufdringlich befragt und dann immer wieder vertröstet worden.

Autoren sind der Vatikan-Experte für Missbrauchsprävention, der Jesuit Hans Zollner, und der frühere Münchner Generalvikar Peter Beer, der seit wenigen Monaten in Zollners Team am Kinderschutzzentrum CCP der päpstlichen Universität Gregoriana arbeitet. Die neue Stiftung soll demnach nicht wieder etwas für Missbrauchsopfer tun, sondern mit ihnen zusammen. Die Kirche müsse an ihrer Seite gehen, auf sie hören, von ihnen lernen und sie unterstützen in ihrer Suche nach Heilung, wo immer sie auch dieser Weg hinführe, schreiben Zollner und Beer.

Missbrauch in der Kirche nicht länger auf klinischem Abstand halten

Mit der Formel “kopernikanische Wende” greifen die Autoren eine Aussage des australischen Erzbischofs Mark Coleridge aus Brisbane auf, die dieser beim von Papst Franziskus im Februar 2019 einberufenen Gipfeltreffen zum Umgang mit dem Missbrauchsproblem in der Kirche getätigt hatte. Es geht um spirituelle Hilfe für spirituell Verletzte, um Gläubige, die durch den Missbrauch ihren Glauben an Gott verloren haben. Diese pastorale Unterstützung sei bisher, wenn es sie überhaupt gegeben habe, oft “outgesourct” worden: an Psychiater, Kirchenrechtler, kircheninterne oder -externe Experten, die größtenteils am Rand kirchlicher Aktivitäten agierten.

Psychotherapie, Beratung und auch klinische Behandlung seien notwendig, so Beer und Zollner. “Aber wir dürfen Missbrauch in der Kirche nicht länger auf klinischem Abstand halten.” Menschen seien religiös und spirituell in der Kirche traumatisiert worden. Die Kirche habe die Verantwortung, in ihrem Zentrum Räume zu schaffen, wo diese Menschen diese Traumata so weit wie möglich bearbeiten könnten.

Opfer begleiten

Eines machen die beiden Experten vom CCP klar: Zweck könne nicht sein, die Opfer für die Kirche zurückzugewinnen. Sie sollten vielmehr in ihrer Suche nach ideologischer, spiritueller und religiöser Genesung und Neuorientierung begleitet werden. Die Überlebenden sollten dabei ihren je eigenen Glauben oder ihre persönliche Philosophie entwickeln können. Dafür müsse die Kirche auch bereit sein, aufgeschlossen mit Vertretern anderer Religionen und Glaubensrichtungen zu kooperieren.

Die Stiftung von Marx ist für das CCP, das seine Wurzeln ebenfalls in einer Initiative des Erzbistums München und Freising hat, ein Baustein für etwas Größeres: Ziel ist die Etablierung eines internationalen Netzwerks von Unterstützergruppen für Missbrauchsopfer. Über das künftige inhaltliche Programm der Stiftung sollen die Überlebenden partnerschaftlich mitentscheiden. Als Begegnungs- und Konferenzzentrum ist das Gästehaus der Erzdiözese in Rom vorgesehen, das 2015 in einem umgebauten Frauenkloster Betrieb genommen wurde. Praktischerweise wohnt Beer auch dort, wenn er in Rom ist.

Von Christoph Renzikowski (KNA)