Die Corona-Krise bietet nach Worten des Psychiaters Jan Kalbitzer die Chance, Gewohnheiten zu unterbrechen.
Frankfurt – Die Corona-Krise bietet nach Worten des Psychiaters Jan Kalbitzer die Chance, Gewohnheiten zu unterbrechen. „Weil die Pandemie schon so lange andauert und wir noch nicht genau wissen, wie lange sie noch währt, macht es Sinn, unseren Alltag längerfristig anzupassen“, sagte er im Interview der „Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung“. Dies betreffe zum Beispiel die Ernährung: Wer seltener und dadurch bewusster einkaufen gehe, könne die Mahlzeiten vorausplanen und dies für eine Ernährungsumstellung nutzen.
Eigenes Sozialleben überprüfen
Zudem sei es wichtig, das eigene Sozialleben zu überprüfen. „Telefonieren ist ein schönes Ritual, aber auch, sich gegenseitig Briefe zu schreiben.“ Wer etwa jeden Sonntag einem Freund einen Brief schreibe, sortiere dabei auch die eigenen Gedanken. „Die Stärke eines Rituals hängt davon ab, welche Heiligkeit man dabei spürt“, betonte Kalbitzer. „Wenn es einen gewissen Aufwand bedeutet, anachronistisch ist wie das Briefeschreiben, hat es eine andere Wirkung.“ So könne man sich etwa einen Tee machen und einen schönen Ort in der Wohnung aufsuchen.
Niemand müsse momentan so streng mit sich selbst sei wie in anderen Zeiten, ergänzte der Psychiater. „Selbstfürsorge ist wichtig.“ Dazu gehörten allerdings auch Bewegung, Ernährung, Schlaf und soziale Kontakte. Seiner Beobachtung nach füllten viele Menschen die freiwerdende Zeit mit sogenanntem Micro-Management, etwa der Steuererklärung. Dies könne daran liegen, dass sie Angst vor Traurigkeit, Einsamkeit oder Frust hätten – aber dadurch nähmen sie manche Chancen für Pausen nicht wahr.