In der Debatte um die Missbrauchsaufarbeitung im Erzbistum Köln hat den Münsteraner Bischof Felix Genn erneut eine Anzeige gegen den Kölner Kardinal Rainer Maria Woelki erreicht.
Münster – In der Debatte um die Missbrauchsaufarbeitung im Erzbistum Köln hat den Münsteraner Bischof Felix Genn erneut eine Anzeige gegen den Kölner Kardinal Rainer Maria Woelki erreicht. Woelki werde abermals vorgeworfen, sich in einem Fall sexuellen Missbrauchs durch einen Geistlichen nicht entsprechend den Vorgaben des Kirchenrechts verhalten zu haben, wie das Bistum Münster der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) am Donnerstag bestätigte. Genn habe die Beschwerde an den Vatikan weitergereicht. Um welchen Fall es sich genau handelt und wer die Anzeige gestellt hat, ließ die Diözese offen. Zuerst hatte das Münsteraner Online-Portal kirche-und-leben.de über den Vorgang berichtet.
Bischof Genn ist der dienstälteste Bischof in der Kölner Kirchenprovinz. Ihm obliegt es laut Kirchenrecht, bei Vorwürfen gegen einen Bischof die kirchenrechtliche Untersuchung zu übernehmen. Zuvor muss jedoch bei ihm oder beim Heiligen Stuhl eine entsprechende Anzeige eingegangen sein. „Bischof Genn hat alle Meldungen, die das Erzbistum Köln betreffen, entsprechend den kirchenrechtlichen Vorgaben in jedem Fall an den Heiligen Stuhl weitergegeben“, versicherte das Bistum Münster. Das gelte auch für den aktuellen Fall.
Antwort des Vatikan steht noch aus
Schon im vergangenen Jahr hatten Kritiker dem Kardinal angelastet, in einem Missbrauchsfall an Vertuschung beteiligt gewesen zu sein. Genn hatte daraufhin bereits im Dezember den vatikanischen Botschafter in Deutschland, Nikola Eterovic, über die Vorwürfe gegen Woelki informiert und ihn gebeten, seine Mitteilung an den Heiligen Stuhl weiterzuleiten. Woelki hatte sich zudem ebenfalls im Dezember selbst an Papst Franziskus gewandt. Der Papst solle prüfen, ob er als Kölner Erzbischof eine Pflichtverletzung nach dem Kirchenrecht begangen habe, so Woelkis Absicht damals.
Bis heute gibt es aus dem Vatikan keine offizielle Antwort – weder auf die Anfrage Woelkis noch auf die Meldung Genns. Nach Recherchen der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) bewerten Kirchenrechtsexperten im Vatikan den Fall zunächst zugunsten Woelkis. Mehrere Kirchenrechtler in Deutschland hingegen sehen eine Pflichtverletzung des Kardinals. Das Problem der Vertuschung durch hohe Amtsträger in den Diözesen wird dem Münsteraner Kirchenrechtler Klaus Lüdicke zufolge erst seit 2019 im Kirchenrecht behandelt. Seitdem gilt das Apostolische Schreiben „Vos estis lux mundi“. Der Text spricht von „Handlungen und Unterlassungen“, die darauf abzielen, weltliche oder kirchliche Untersuchungen zu umgehen. Laut Lüdicke ist Vertuschung somit eine Pflichtwidrigkeit, die disziplinarisch geahndet werden kann – jedoch keine Straftat.
Von Anita Hirschbeck (KNA)