Erstmals haben sich Betroffene sexualisierter Gewalt im Bistum Essen getroffen, um sich über die geplante Bildung eines Betroffenenbeirates zu informieren.
Erstmals haben sich Betroffene sexualisierter Gewalt im Bistum Essen getroffen, um sich über die geplante Bildung eines Betroffenenbeirates zu informieren. Über 40 Frauen und Männer waren der Einladung von Bischof Dr. Franz-Josef Overbeck in die Katholische Akademie „Die Wolfsburg“ in Mülheim/Ruhr gefolgt. Es sei für ihn „keine Selbstverständlichkeit“, dass so viele Betroffene gekommen seien, bedankte sich Overbeck. „Es ist sicher sehr schwer, einer Institution Vertrauen zu schenken, die Ihr Vertrauen einst schändlich missbraucht hat und deren Vertreter schreckliche Verbrechen begangen haben.“
Einrichtung eines Betroffenenbeirates
Die Einrichtung eines Betroffenenbeirates ist Teil der Vereinbarungen zwischen der Deutschen Bischofskonferenz und dem Unabhängigen Beauftragten der Bundesregierung für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs. Ziel sei es, so Generalvikar Klaus Pfeffer, den Betroffenen eine Stimme und die Möglichkeit zu geben, ihre Belange, Anliegen und Interessen in die laufenden Aufarbeitungsprozesse einzubringen. Bis Ende Juli können Betroffene ihre Bereitschaft zur Mitarbeit im Betroffenenbeirat im Bistum Essen erklären. Mitte November soll sich dann das Gremium konstituieren. Wie sich der Beirat im Ruhrbistum zusammensetzen und wie viele Mitglieder er haben wird, werden interessierte Betroffene bei einem weiteren Treffen gemeinsam beraten und festlegen.
Pfeffer machte deutlich, dass der Beirat weisungsunabhängig sei und die künftigen Mitglieder „gefragt und ungefragt ihre Anliegen und Fragen einbringen können und sollen“. Darüber hinaus werden Mitglieder des neuen Beirates künftig auch in der Aufarbeitungskommission und im Beraterstab des Ruhrbistums mitarbeiten. Ohne die Perspektive der Betroffenen und ohne Aufmerksamkeit für ihre dramatischen Leidensgeschichten könne eine wirksame Aufarbeitung nicht gelingen. „Wir wollen den Missbrauch in unserem Bistum mit Ihnen weiter aufarbeiten und Ihnen Gehör verschaffen“, bekräftigte Bischof Overbeck. „Das hätte viel eher geschehen müssen. Dafür kann ich nur um Entschuldigung bitten.“
Kritik am Verfahren zur Anerkennung des Leids
Zum Teil heftige Kritik übten die Betroffenen an dem Verfahren zur Anerkennung des Leids. Offenbar spielten die Bischöfe auf Zeit, so einige Teilnehmer. Die Unabhängige Kommission für Anerkennungsleistungen (UKA) arbeite viel zu langsam. Niemand wisse, bis wann sein Antrag bearbeitet werde. Zudem sei nicht klar, nach welchen Kriterien die Anerkennungsleistungen festgelegt und bemessen würden. Betroffene würden nicht transparent informiert. Auch Generalvikar Klaus Pfeffer beklagte den „Bearbeitungsstau“ der Unabhängigen Kommission und betonte, dass Bischof Overbeck und er sich in den Gremien der Bischofskonferenz für eine Änderung der Arbeitsweise eingesetzt hätten. „Bislang leider noch ohne Erfolg“, sagte Pfeffer. Beide versprachen, sich weiter für ein verbessertes Verfahren einzusetzen. Unterdessen teilte die UKA am Dienstag mit, dass sie mehr Kapazitäten erhält. Viele Betroffene nutzten im Anschluss an das Treffen die Möglichkeit zu Einzelgesprächen mit dem Bischof und dem Generalvikar. Zudem standen auch zwei Seelsorgerinnen sowie die „Unabhängigen Ansprechpersonen für sexualisierte Gewalt“ für Gespräche zur Verfügung
Die Deutsche Bischofskonferenz hatte im Oktober 2020 eine Rahmenordnung für das Ausschreibungs- und Besetzungsverfahren der Betroffenenbeiräte veröffentlicht. Sie geht zurück auf die am 22. Juni 2020 zwischen dem Beauftragten für Fragen des sexuellen Missbrauchs im kirchlichen Bereich und für Fragen des Kinder- und Jugendschutzes, Bischof Dr. Stephan Ackermann, und dem Unabhängigen Beauftragten für Fragen sexuellen Kindesmissbrauchs (UBSKM), Johannes-Wilhelm Rörig, unterzeichnete „Gemeinsame Erklärung über verbindliche Kriterien und Standards für eine unabhängige Aufarbeitung von sexuellem Missbrauch in der katholischen Kirche in Deutschland“. Die Rahmenordnung regelt das Ausschreibungs- und Besetzungsverfahren für die neu einzurichtenden Betroffenenbeiräte sowie die Aufwandsentschädigung für die begleitenden Betroffenen. Sie bietet einen einheitlichen Rahmen und lässt zugleich Raum für die Berücksichtigung lokaler Gegebenheiten. Sofern in einer (Erz-)Diözese bereits ein vergleichbares Gremium eingerichtet ist, kann durch dieses Gremium die Betroffenenbeteiligung weiterhin erfolgen.
Kontakt für Fragen und weitere Information:
Stabsbereich Prävention und Intervention im Bistum Essen, Telefon 0201 2204 230/249.