Aus Sicht des Vatikan ist der Besuch von Kardinalstaatssekretär Pietro Parolin in Berlin nicht nur ein Feiertermin. Die Entwicklung der katholischen Kirche in Deutschland bot in Rom zuletzt einigen Anlass zur Sorge.
Parolin-Besuch von Konfliktfeldern überschattet
Vordergründig mag es darum gehen, das gute bilaterale Verhältnis zwischen der Bundesrepublik und dem Vatikan zu würdigen. Tatsächlich wird das Jubiläum von etlichen Konfliktfeldern überschattet. Umso deutlicher wurde das am Donnerstag beim Überraschungsbesuch des Limburger Bischofs Georg Bätzing beim Papst. Der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz hielt mit Franziskus keinen netten Plausch über die bevorstehenden Feierlichkeiten. Stattdessen ging es um weniger erfreuliche Dinge.
Im Mittelpunkt stand das Thema Missbrauchsaufarbeitung. In einer nach der Audienz verschickten Presseerklärung der Bischofskonferenz heißt es, man habe über die „schwierige Situation in mehreren Bistümern“ gesprochen. Dazu der vielsagende Hinweis: „Papst Franziskus ist gut im Bilde über die Lage der Kirche in Deutschland.“ Tatsächlich muss sich das Kirchenoberhaupt in diesen Tagen mehr mit Deutschland befassen, als ihm lieb sein dürfte. Vor allem die seit Monaten verfahrene Situation im wichtigen Erzbistum Köln verlangt seine persönliche Aufmerksamkeit.
Vertrauliche Gespräche
Nach der Veröffentlichung eines Gutachtens zum Umgang mit Missbrauchsfällen boten im März zwei frühere Kölner Generalvikare dem Papst ihren Rücktritt an: Hamburgs Erzbischof Stefan Heße und der Kölner Weihbischof Dominikus Schwaderlapp. Bisher gibt es darauf keine Antwort aus Rom. Franziskus schickte kürzlich eigens zwei Gesandte zu einer Prüfung an den Rhein, auch um die „komplexe pastorale Situation“ und die anhaltende Vertrauenskrise zu untersuchen. Nicht zuletzt Kardinal Rainer Maria Woelki ist zunehmend in den Fokus der Kritik geraten.
Dass Parolin sich in Berlin öffentlich dazu äußert, ist eher nicht zu erwarten. Vertrauliche Gespräche mit dem vatikanischen Chefdiplomaten zur Abstimmung des weiteren Vorgehens sind aber durchaus möglich. Das gilt ebenso für ein weiteres heikles Thema: den Synodalen Weg der katholischen Kirche in Deutschland. Bätzing sah sich gegenüber dem Papst zu dem Hinweis genötigt, dass sich die deutschen Katholiken mit dem Reformdialog keineswegs auf „Sonderwege“ begeben wollten. Solche „kolportierten Zuschreibungen“ seien „aus der Luft gegriffen“. Es gelte nun, „die anstehenden Fragen offen und ehrlich zu diskutieren und zu Empfehlungen für ein verändertes Handeln der Kirche zu kommen“.
Friedenssicherung und humanitäre Hilfe
Womöglich kann Parolin zu diesem Unterfangen wichtige Denkanstöße geben. In Rom wird die Reforminitiative aus dem Norden schon lange beargwöhnt. Mehrere Kuriale können sich des Eindrucks nicht erwehren, jenseits der Alpen meine man immer noch, am deutschen Wesen solle die Welt(kirche) genesen. Jetzt will der Vatikan den Synodalen Weg in die bis 2023 dauernde große Weltsynode integrieren, die Franziskus vor einigen Wochen ausgerufen hat. Bis zur offiziellen Eröffnung im Oktober sind noch allerhand Details zu klären.
Auf einem anderem Gebiet dürfte es der Kardinal einfacher haben, Fortschritte zu erzielen: Die Bundesregierung strebt eine engere Zusammenarbeit mit dem Heiligen Stuhl an. Bundesaußenminister Heiko Maas (SPD) wirbt seit Monaten dafür, sich die vielfältige diplomatische Expertise des Vatikan stärker zunutze zu machen. Besonders mit Blick auf Lateinamerika sieht er – zu Recht – großes Potenzial. Die Schnittmengen in Sachen Friedenssicherung und humanitäre Hilfe sind groß. Nach einer Papstaudienz im Mai hatte Maas weitere Gespräche in dieser Hinsicht angekündigt. Niemand wäre dafür besser geeignet als Parolin. Der ehemalige Nuntius in Venezuela kennt sich in Lateinamerika bestens aus.