Innerhalb der Kirche gibt es aus Sicht des Dekans Michael Pflaum viel zu wenige Seelsorger mit Kenntnissen und Erfahrungen in der Traumatherapie.
Bonn – Innerhalb der Kirche gibt es aus Sicht des Dekans Michael Pflaum viel zu wenige Seelsorger mit Kenntnissen und Erfahrungen in der Traumatherapie. „Insofern ist schon viel geholfen, wenn etwa die entsprechenden Diözesanstellen Betroffene an kompetente Traumatherapeuten weiterleiten. Ob das natürlich immer passiert, wage ich zu bezweifeln. Aber was uns wirklich fehlt, sind Leute in unseren eigenen Reihen, die hier umfangreich therapeutisch geschult sind und die gleichzeitig die religiösen Bezüge kennen“, sagte Pflaum im Interview des Portals katholisch.de (Dienstag) im Zusammenhang mit kirchlichem Umgang mit Betroffenen von Missbrauch.
Die ökumenische Initiative „GottesSuche“ sei die einzige, die er kenne, „die wirklich auf dem Niveau im kirchlichen Bereich“ arbeite, sagte Pflaum, der das Buch „Für eine trauma-existentiale Theologie. Missbrauch und Kirche mit Traumatherapien betrachtet“ vorgelegt hat. Seit einigen Jahren werde sehr viel auf dem Feld der Prävention getan. Allerdings sei eine „traumasensible Pastoral“ etwas völlig anderes, und da habe die Kirche „quasi eine flächendeckende Leerstelle“.
Pflaum vertritt die Ansicht, dass die Kirche als System selbst einen „ständigen Verdrängungsprozess“ vollziehe. Angesichts traumatisierter Menschen sagte er: „Die meisten Bischöfe umkreisen dieses Thema in ihren Äußerungen wie einen blinden Fleck, dem man sich nicht nähern möchte.“ Viele hätten sich dem Thema „nur so weit genähert, wie es gerade notwendig ist“. Es gebe auch rasche Ablenkungen auf andere Themen. „Insofern ist die Ähnlichkeit frappierend, dass das System Kirche die Traumatisierten genauso verdrängt hat, wie die Betroffenen ihre traumatischen Erlebnisse.“
„Kirchentrauma“ hat Ursprung in Augustinischer Erbsündenlehre
Auf die Frage, wo das „Kirchentrauma“ seinen Ursprung habe, sagte Pflaum, dass dies die Augustinische Erbsündenlehre sei. „Das ist eine meiner Hauptthesen, dass dieses negative Menschenbild der Nährboden schlechthin ist, der, kombiniert mit einem überhöhten Priestertum, eine Machtstruktur geschaffen hat, in dem der Priester manipulativ und gewaltsam wirken kann, ohne entdeckt zu werden.“
Zwar gebe es immer auch Strömungen, die ein positiveres Menschenbild vertreten hätten. Aber die kirchliche Lehre habe es nie geschafft, „diesem augustinischen Teil wirklich zu widersprechen“. Dies sei eine Verantwortung, die vor allem Bischöfe und Päpste zu tragen hätten. Pflaum forderte: „Man muss aktiv sagen: ‚Schluss mit diesem negativen Menschenbild!'“ Im Umgang mit Missbrauchsbetroffenen sei es wichtig, ihnen Glauben zu schenken und das auch zu sagen, so wie es einige Bischöfe auch getan hätten.