Bätzing fordert Kirche zu „radikalem Perspektivwechsel“ auf

Einen „radikalen Perspektivwechsel“ der katholischen Kirche fordert der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Georg Bätzing.
Einen „radikalen Perspektivwechsel“ der katholischen Kirche fordert der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Georg Bätzing.

Bischof Geprg Bätzing –© Synodaler Weg/Maximilian von Lachne

Einen „radikalen Perspektivwechsel“ der katholischen Kirche fordert der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Georg Bätzing. Die Frage „Was wird aus uns?“ dürfe sich die Kirche nicht stellen, denn sie führe zu Frustration und Resignation, sagte Bätzing am Freitag im Podcast „himmelklar“. Vielmehr müsse die Kirche sich fragen: „Für wen sind wir da?“. Der Limburger Bischof erläuterte: „Wir haben eine Botschaft, von deren Kraft ich höchst überzeugt bin – das Evangelium entfaltet auch heute seine Kraft“.

Bätzing: „Wenn wir nichts verändern, dann werden wir radikal verändert werden“

Dazu müsse die Kirche sich verändern. „Wenn wir nichts verändern, dann werden wir radikal verändert werden“, so Bätzing. Er schlug dazu vor, neue Kontaktpunkte in anderen Milieus zu suchen. Kirche sollte immer alle ansprechen, sagte der Bischof. Zugleich gelte: „Wir werden keine Massenbewegung mehr sein“. Bätzing plädierte dafür, vermehrt Menschen in den Feldern anzusprechen, in denen Kirche bereits präsent sei: Kinder und Familien in Kitas, Bewohner und Pflegekräfte in Senioren- und Pflegeeinrichtungen, Schüler und Lehrkräfte in Schulen. Diese Orte müssten als „Orte von neuem Kirchenaufbau“ genutzt werden für „eine neue, soziale Struktur von Kirche“.

In Bezug auf den Reformprozess Synodaler Weg betonte Bätzing, es müssen alle Diskussionen geführt werden, die die Menschen beschäftigen. Andererseits müssten aber auch die Grenzen des Möglichen klar benannt werden, damit es nicht zu Enttäuschungen komme. Erwartungsmanagement sei beim Synodalen Weg wichtig. Der Prozess habe das Ziel, die Handlungsspielräume der katholischen Kirche in Deutschland auszuloten und die Diskussionen in Rom mit der deutschen Perspektive zu bereichern, hob der Bischof hervor. Für ihn selbst sei es Ziel, in eine „Beratungskultur“ hineinzukommen.

Veränderung seiner Ansichten in der Frauenfrage

Beim Synodalen Weg beraten deutsche Bischöfe und Laienvertreter seit 2019 über die Zukunft der katholischen Kirche in Deutschland. Ausgangspunkt ist eine jahrelange Kirchenkrise, die der Missbrauchsskandal verschärft hat. In der Debatte geht es vor allem um die Themen Macht, Priestertum und Sexualmoral sowie um die Rolle der Frauen in der Kirche.

Bätzing berichtete auch, wie Diskussionen und Kritik zu einer Veränderung seiner Ansichten in der Frauenfrage geführt hätten. „Könnte ich mir denn bildhaft vorstellen, dass eine Frau ein sakramentales Amt in der Kirche übernimmt? Dann sage ich heute: Ja, das kann ich.“

Bätzing: Gemeinsam am Tisch des Herrn ist Ziel der Ökumene

Die gemeinsame Mahlfeier aller Getauften sollte nach Worten des Vorsitzenden der Deutschen Bischofskonferenz, Bischof Georg Bätzing, treibende Kraft in der Ökumene sein. Das betonte der Limburger Bischof im Podcast „Himmelklar“ (Freitag). Die Perspektive, gemeinsam am Tisch des Herrn zu sein, sei „die große Perspektive der Ökumene überhaupt“, so Bätzing. Er fordert dazu auf, dieses Ziel weiter zu verfolgen; sonst sei Ökumene „halbherzig“.

Gleichzeitig stellte Bätzing klar, dass dieser Schritt noch nicht möglich sei, da die Einheit der Kirche noch nicht verwirklicht sei. „Wir sind auf dem Weg“, sagte der Bischof, „und deshalb muss man Schritte tun, die man verantworten kann, auch aus der Hochschätzung für Abendmahl und Eucharistie“. Bätzing berichtete weiter, dass er aus Faszination für die Heilige Messe Priester geworden sei. „Für mich ist die Eucharistiefeier das Zentrum des christlichen Glaubens“, erklärte er. Sie sei ein „ungeheurer Schatz, den es zu hüten gilt“. – Bätzing ist Mitglied im Ökumenischen Theologen-Arbeitskreis evangelischer und katholischer Theologen (ÖAK), der 2019 mit der Studie „Gemeinsam am Tisch des Herrn“ für Aufsehen sorgte.

Bätzing: Aufarbeitung von Missbrauch schuldet man Betroffenen

Aufarbeitung und Prävention von sexualisierter Gewalt in der katholischen Kirche dürfen nach Worten des Vorsitzenden der Deutschen Bischofskonferenz, Bischof Georg Bätzing, nicht mit dem Ziel erfolgen, verlorenes Vertrauen zurückzugewinnen. Vielmehr schulde die Kirche diese Maßnahmen den Betroffenen, betonte Bätzing am Freitag im Podcast „Himmelklar“. Ob daraus neues Vertrauen wachse oder nicht, liege nicht in der Hand der Kirche. „Vertrauen wird geschenkt, nicht gekauft oder errungen“, erläuterte der Bischof.

Viele Gläubige könnten nicht mehr erhobenen Hauptes sagen, dass sie katholisch seien, so Bätzing weiter. Es gelte, Aufarbeitung und Prävention so gut wie möglich voranzubringen. Es gehe jedoch nicht darum, schnell an ein Ziel zu kommen: „Wir müssen unsere Arbeit tun“, sagte der Bischof. „Aber ich verstehe die Ungeduld vieler Gläubiger, die sagen, ich kann bald nicht mehr.“

„Erschreckende Erkenntnis, die mir die Augen geöffnet hat“

Bätzing berichtete auch von seinen eigenen Erfahrungen mit dem Thema des sexuellen Missbrauchs. Er habe in seiner Zeit als Generalvikar in Trier vereinzelt Seminaristen kennengelernt, die im Umfeld ihrer Heimatgemeinden Missbrauch erfahren hatten. „Das war eine erschreckende Erkenntnis, die mir die Augen geöffnet hat“, so der Limburger Bischof.

Außerdem habe es in seiner Heimatpfarrei einen Priester gegeben, der in den 1960er Jahren Kinder und Jugendliche missbraucht habe. Am Umgang mit diesem Fall könne man alle Strukturelemente erkennen, die in den meisten Fällen aufgedeckt worden seien: Es finde bis heute keine offene Kommunikation darüber statt, und der Blick auf die Betroffenen fehlte. So sei auch sein eigenes Wissen über das Thema lange „unspezifisch“ geblieben.

Den „Perspektivwechsel auf die Opfer“ habe er erst mühsam lernen müssen, sagte Bätzing. Zunächst sei er als Priester enttäuscht darüber gewesen, dass ein Priester seine „Macht nicht zum Fördern einsetzt, sondern missbräuchlich“. Die 2018 vorgestellte MHG-Studie über Missbrauch durch Kleriker sowie viele Gespräche mit Betroffenen seien für seinen persönlichen Lernprozess wichtig gewesen.

kna