Kfd: Erschüttert über Ausmaß des Fehlverhaltens

Die Katholische Frauengemeinschaft Deutschlands (kfd) – Bundesverband e.V. ist zutiefst erschüttert über das Ausmaß des Fehlverhaltens kirchlicher Verantwortlicher im Erzbistum München-Freising.
Die Katholische Frauengemeinschaft Deutschlands (kfd) – Bundesverband e.V. ist zutiefst erschüttert über das Ausmaß des Fehlverhaltens kirchlicher Verantwortlicher im Erzbistum München-Freising, das das Gutachten der Kanzlei Westpfahl Spilker Wastl (WSW) zu sexuellem Missbrauch ans Licht gebracht hat.

Mechthild Heil (Foto: kfd/Kay Herschelmann)

Die Katholische Frauengemeinschaft Deutschlands (kfd) – Bundesverband e.V. ist zutiefst erschüttert über das Ausmaß des Fehlverhaltens kirchlicher Verantwortlicher im Erzbistum München-Freising, das das Gutachten der Kanzlei Westpfahl Spilker Wastl (WSW) zu sexuellem Missbrauch ans Licht gebracht hat. Die kfd fordert nachdrücklich dazu auf, Missbrauchstaten aufzuklären, Opfer zu hören und Täter zur Rechenschaft zu ziehen. “Braucht es erst ein Gutachten aus jedem (Erz-)Bistum, damit Verantwortliche ihre Aufgaben ernst nehmen?”, fragt Mechthild Heil, kfd-Bundesvorsitzende. Dass der Münchner Erzbischof, Kardinal Reinhard Marx, das Gutachten am heutigen Tage nicht entgegennahm, ist für die kfd ebenso wenig nachvollziehbar. “Sieht so ehrliches Interesse an den Betroffenen und an Aufklärung aus?”

Bezeichnend sei auch, dass Papst em. Benedikt XVI. in einer Stellungnahme zur Versetzung des verurteilten Priesters H. aus dem Bistum Essen in die Erzdiözese München-Freising angibt, nicht an der alles entscheidenden Sitzung teilgenommen zu haben, im Protokoll jedoch sogar als Redner in anderen Angelegenheiten dokumentiert ist. Bedeutend am WSW-Gutachten für München-Freising sind für die kfd darüber hinaus die Aussagen über den Umgang mit den betroffenen Gemeinden: Sie seien oft im Ungewissen gelassen und Ursachen für die Versetzung des Priesters nicht genannt worden, was auch zu Spaltungen führte.

Kfd fordert Schuldeingeständnis der Täter und die Übernahme von persönlicher Verantwortung

“Nicht nur der Umgang mit Betroffenen sexuellen Missbrauchs, auch der Umgang mit den betroffenen Gemeinden ist defizitär und nicht zu rechtfertigen”, bekräftigt Mechthild Heil. Angesichts eines historisch niedrigen Vertrauens in die katholische Kirche und massenhaften Kirchenaustritten müssen die deutschen Bischöfe umgehend ins Handeln kommen. „Die Kirche als Glaubensgemeinschaft ist viel mehr als das Versagen von Verantwortlichen. Darum sind wir als kfd auch ein Teil dieser Kirche. Dennoch wird es immer schwerer für uns, auch andere davon zu überzeugen. Viele unserer Mitglieder sind angesichts immer neuer vertuschter Missbrauchsfälle verzweifelt. Ihr großes, ehrenamtliches Engagement für die Kirche wird von den verantwortlichen Geistlichen mit Füßen getreten”, so Heil.

Nur ein ehrlicher und aufrichtiger Neuanfang kann das zerstörte Vertrauen der Menschen in die katholische Kirche wieder aufbauen. Dazu braucht es ein Schuldeingeständnis der Täter, die Übernahme von persönlicher Verantwortung und den Willen aller, die Kirche zu erneuern. Unter dem Motto #MachtLichtAn fordert die kfd seit 2018 die deutschen Bischöfe auf, Licht in das Dunkel der Missbrauchsfälle zu bringen, verkrustete Machtstrukturen abzuschaffen, unabhängige Missbrauchsbeauftragte einzusetzen und die kirchliche Sexualmoral zu verändern.

Scharfe Kritik an Benedikt XVI. nach Gutachten zu Missbrauch

Das Missbrauchsgutachten für das Erzbistum München-Freising hat besonders scharfe Kritik am emeritierten Papst Benedikt XVI. hervorgerufen. Es sei nun klar, dass Joseph Ratzinger als Münchner Erzbischof (1977-1982) mitverantwortlich sei für den Seelsorgeeinsatz eines 1980 aus dem Bistum Essen stammenden pädophilen Priesters, sagte der Sprecher der Betroffeneninitiative Eckiger Tisch, Matthias Katsch, der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA). Er sei ziemlich mitgenommen davon, dass dadurch noch so viele Menschen zu Opfern geworden seien.

Die Bewegung „Wir sind Kirche“ forderte Benedikt XVI. auf, sich seiner Verantwortung für Missbrauchsfälle in der katholischen Kirche zu stellen. „Sein persönliches Schuldeingeständnis für sein damaliges Handeln beziehungsweise Nicht-Handeln wäre ein dringend notwendiger Akt und gleichzeitig ein großes Vorbild für andere Bischöfe und Verantwortungsträger weltweit“, erklärte die Organisation nach der Vorstellung des Gutachtens der Kanzlei Westpfahl Spilker Wastl (WSW). Zugleich warnte „Wir sind Kirche“ davor, die Untersuchung nur mit Blick auf die Rolle von Joseph Ratzinger zu betrachten.

Rörig: Beschämende Halbherzigkeit ranghoher Kleriker

Der Missbrauchsbeauftragte der Bundesregierung, Johannes-Wilhelm Rörig, hat mit Blick auf das Münchner Gutachten das Verhalten „ranghoher Kleriker“ scharf kritisiert. Das „vollständige Nicht-Wahrnehmen“ der Betroffenen verschlage sogar ihm beinahe die Sprache, sagte Rörig auf Anfrage am Donnerstag in Berlin. Ihn verstöre auch der Pragmatismus, mit dem „sexueller Missbrauch wegverwaltet worden ist“. Bei der Aufarbeitung von Missbrauch gebe es eine „beschämende Halbherzigkeit“.

Weiter erklärte Rörig, für ihn sei es sehr positiv, dass die Gutachter die Beteiligung von Betroffenen als extrem wichtig eingeordnet und die Notwendigkeit eines „geschützten Raums“ betont hätten. Dies sei auch bei der Gemeinsamen Erklärung der Bistümer und Ordensgemeinschaften, die 2020 unterzeichnet worden sei, berücksichtigt worden. Er appelliere an die Ampelkoalition, die Aufarbeitungskommission zu stärken, sie gesetzlich zu verankern und ihr Kontroll- und Beratungsrechte zu geben.

Schüller: Gutachten als historische Zäsur

Der Münsteraner Kirchenrechtler Thomas Schüller bezeichnete das Gutachten als historische Zäsur. Es überführe Benedikt XVI. „der Unwahrheit“. Mit seiner Stellungnahme zu dem Gutachten habe Ratzinger „die letzte Chance verspielt, reinen Tisch zu machen mit seiner Verantwortung als Erzbischof von München und Freising für seine Vertuschung von Sexualstraftaten“, sagte Schüller der „Rheinischen Post“ (Freitag).

kna