Caritas-Präsidentin fürchtet Aufwachsen einer „Generation Krise“

Caritas-Präsidentin Eva Maria Welskop-Deffaa befürchtet, dass die aktuellen Krisen langfristig negative Folgen vor allem für kleine Kinder haben werden.
Berlin – Caritas-Präsidentin Eva Maria Welskop-Deffaa befürchtet, dass die aktuellen Krisen langfristig negative Folgen vor allem für kleine Kinder haben werden. "Die Inflation, die neuen Geldsorgen, kommen in einer Situation, wo zwei Jahre Corona-Krise Kinder und Jugendliche schon erheblich psychisch belastet haben", sagte Welskop-Deffaa den Zeitungen der Funke Mediengruppe (Samstag).

Caritaspräsidentin Eva Maria Welskop-Deffaa. Foto: Deutscher Caritasverband

Caritas-Präsidentin Eva Maria Welskop-Deffaa befürchtet, dass die aktuellen Krisen langfristig negative Folgen vor allem für kleine Kinder haben werden. “Die Inflation, die neuen Geldsorgen, kommen in einer Situation, wo zwei Jahre Corona-Krise Kinder und Jugendliche schon erheblich psychisch belastet haben”, sagte Welskop-Deffaa den Zeitungen der Funke Mediengruppe (Samstag).

Welskop-Deffaa: Mehr Kinder mit Lernschwierigkeiten

Das Eis sei dünn, so die Chefin des katholischen Wohlfahrtsverbandes. “Ich rechne damit, dass wir in einigen Jahren deutlich mehr Kinder mit Lernschwierigkeiten haben werden, weil Kinder, die jetzt in der Kita sind, so viel Durcheinander, so viel Belastung erlebt haben.”

Schon bei kleinen Kindern seien Ängste entstanden, sagte die Präsidentin der Caritas. “Jetzt kommen Bilder aus dem Krieg dazu und die Sorgen der Eltern vor dem Winter. Man versucht, die akuten Probleme mit Pflastern abzudecken, aber das hat alles langfristige Folgen.” Auf die Frage, ob sie das Heranwachsen einer “Generation Krise” befürchte, sagte Welskop-Deffaa: “Was die Kita-Kinder angeht, durchaus.” Es brauche dringend mehr gesellschaftliche Achtsamkeit für Kitas.

Caritas: Mehr Nachfrage nach Beratung bei Mietschulden

Unterdessen verzeichnet die Caritas schon vor dem Winter eine deutlich höhere Nachfrage nach Beratungen zum Thema Energie- und Mietschulden. “Das berichtet ein Drittel unserer Beratungsstellen”, sagte Welskop-Deffaa. Als Hilfe biete die Caritas zum Beispiel einen “Stromspar-Check” an, bei dem Menschen, die Transferleistungen bekommen, sich in ihrem Haushalt kostenlos beraten lassen können, wie sie Energie bei Strom und Heizung sparen.

Auch die Kommunen hätten großes Interesse, dass dieses Angebot ausgeweitet werde, sagte Welskop-Deffaa: Aktuell gebe es den “Stromspar-Check” an 150 Standorten in Deutschland, üblicherweise kämen etwa 10 Standorte pro Förderperiode dazu. “Für die nächste Phase haben wir jetzt bereits 58 neue Bewerbungen – die Kommunen stehen Schlange, die Nerven liegen blank.”

Caritas fordert Moratorium für Strom- und Gassperren

Zugleich kritisierte Welskop-Deffaa, dass die Regierung in der aktuellen Situation ihre Förderung für einen von der Caritas angebotenen kostenlosen Stromspar-Check für Hartz-IV-Haushalte kürze. “Die Kommunen übernehmen zu einem gewissen Anteil die Heizkosten von Menschen, die Hartz IV bekommen. Und sie wissen, dass die mit den Gaspreisen drastisch nach oben gehen werden”, erläuterte die Caritas-Präsidentin.

“Wenn es nicht gelingt, die Leute zum Energiesparen zu motivieren, gehen die Kommunen finanziell in die Knie.” Aber ausgerechnet jetzt fahre die Bundesregierung ihre Förderung für das Stromspar-Check-Programm zurück – statt für drei Jahre reiche das Geld aktuell nur für zwei Jahre. “Das ist paradox“, sagte sie

Welskop-Deffaa spricht sich dafür aus, mit den Mehrwertsteuer-Einnahmen aus der geplanten Gas-Umlage Hilfen für Bedürftige zu finanzieren. “Die Regierung prüft gerade, wie sie die Gasumlage von der Mehrwertsteuer befreien kann”, sagte sie. Wer viel heize, werde dann viel Mehrwertsteuer sparen. “Besser wäre: Wer wenig Geld hat, wird bei den Heizkosten gezielt unterstützt.”

Die von der Regierung angekündigte Wohngeld-Reform als Ausgleich komme zu spät, daher seien “die Mehrwehrsteuereinnahmen für eine weitere Einmalzahlung für Menschen mit wenig Geld gut zu nutzen”, so die Caritas-Chefin.

Ab Oktober müssen Verbraucher damit rechnen, dass sich der Gaspreis deutlich erhöht, weil die Unternehmen dann Mehrkosten an sie weiter reichen können. “Menschen mit kleinen Einkommen werden die Strom- und Gasrechnung schlicht nicht zahlen können”, befürchtet Welskop-Deffaa. “Es muss deshalb geregelt werden, dass es in dieser Notlage keine Strom- und Gassperren geben wird – egal, ob die Menschen ein, zwei, drei oder vier Monate im Rückstand sind.”

rwm/kna