Reine Selbstoptimierung oder eher Perspektivwechsel?

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Mehr bewegen, weniger Alkohol trinken, vielleicht eine neue Sprache oder ein Instrument lernen: Der Jahreswechsel ist stets auch Anlass für gute Vorsätze.
Reine Selbstoptimierung oder eher Perspektivwechsel?

Symbolfoto: pixabay.com

Erst die Pandemie, dann der Krieg und die Energiekrise: Seit knapp drei Jahren ist das Leben für viele Menschen von Verzicht geprägt. Zugleich zeigen Studien, dass diese Zeit zu mehr Essstörungen und Bewegungsmangel beigetragen hat – und auch dazu, dass die Menschen häufiger zur Zigarette gegriffen haben. Da kommt der Jahreswechsel für manche wie gerufen: Ab Neujahr wird mit dem Rauchen aufgehört, mehr Sport getrieben und auch weniger genascht.

Jedoch: Ob gute Vorsätze erfolgreich sind – oder ob sie direkt am 17. Januar, dem “Wirf-deine-Jahresvorsätze-über-Bord-Tag”, wieder aufgegeben werden – entscheidet sich nach Worten von Iris Macke schon früher. “Die entscheidende Frage ist, welche Motivation hinter den Vorsätzen steckt”, erklärt die Chefredakteurin beim ökumenischen Verein Andere Zeiten. Wenn es um Selbstoptimierung gehe, um den Vergleich mit scheinbar perfekten Instagram-Accounts, falle es vielen schwerer, am Ball zu bleiben.

Anders sieht es aus, wenn ein wirklicher Perspektivwechsel angestrebt wird. Macke rät zu Fragen wie: “Was ist mir wichtig, was möchte ich ins Zentrum rücken?” Wenn dazu das Aufgeben einer lieb gewonnenen Gewohnheit gehört, die doch eher belastet, dann sind es oft die kleinen Veränderungen, die einen Unterschied machen. “Man sollte sich auf keinen Fall zu viel vornehmen”, betont Macke.

Auch der Soziologe Armin Nassehi empfahl einmal in der Zeitung “Die Welt”, den Wandel “klug und langsam” anzugehen. Wer zum Beispiel weniger essen wolle, könne kleinere Teller nehmen, die mit weniger Essen voller aussähen. Wer sich mehr Bewegung vornehme, könne etwa eine Station früher aus der U-Bahn steigen oder Treppen statt Aufzüge nehmen. “Man kann an die Strukturen nur ran, wenn man neue Prozesse findet, die sich bewähren können”, so der Wissenschaftler.

Macke verweist zudem auf das hilfreiche Potenzial der Gemeinschaftlichkeit. In der christlichen Fastenzeit, die im kommenden Jahr am 22. Februar beginnt, trage es viele Menschen, dass gemeinsam gefastet werde. “Es ist gut zu wissen, dass auch andere daran mal zu knabbern haben, dass jemand einem die Hand reicht, wenn man einen Tag mit sich kämpft oder nicht durchhält.” Auch die zeitliche Begrenzung sei eine Unterstützung: “Man geht auf das Ziel Ostern zu, bereitet sich vor”, erklärt Macke. Das Osterfest (8. April) biete dann auch die Möglichkeit einer Bilanz, was einem gefehlt und was man als bereichernd erlebt habe.

Ist die Fastenzeit also der bessere Termin für Vorsätze? Zumindest aus der Sicht von Gesundheitsexperten ist der Jahreswechsel nicht der sinnvollste Zeitpunkt für allzu ambitionierte Vorhaben. In der dunklen Jahreszeit ist der Körper am wenigsten leistungsfähig, denn es fehlt ihm an Sonnenlicht und damit am “Stimmungstreibstoff” Serotonin. Die dunklen Tage fühlen sich zudem kürzer an, Sport im Freien macht weniger Spaß. Und viele klagen über Stress, wenn Arbeit erledigt werden muss, die über die Feiertage liegen geblieben ist.

Wer dennoch die Gelegenheit des neuen Jahres nutzen möchte, könne auch überlegen, wie sich Gutes tun lasse, sagt Macke: “Gute Vorsätze sind nicht nur Verzicht. Das geht oft unter.” Neben Wohltaten für sich selbst – ein täglicher Spaziergang, fünf Minuten Vokabeln für den Sommerurlaub üben, eine neue Yoga-Figur am Abend – könne es auch um Zuwendung zu anderen gehen. “Viele Menschen haben derzeit Angst, suchen Hoffnung und Zuversicht. Den Mangel erleben wir zur Genüge, also kann es auch angemessen sein, sich einander stärker zuzuwenden”, erklärt die Publizistin.

Wenn es die kleinen, konkreten Schritte hin zum Wohlfühlgewicht oder zum reduzierten Alkoholkonsum sein sollen, dann empfiehlt Macke einerseits kleine Impulse, etwa Klebezettel in der Wohnung, die an die eigene Anfangsmotivation erinnern. Und andererseits einen “Notfallplan” für Durststrecken: “Darin kann ich notieren, was ich mache, wenn ich frustriert bin, weil es zum Beispiel nicht so vorangeht, wie ich es mir gedacht hatte.” Hilfreich seien dann vielleicht ein Gang an die frische Luft, der Anruf bei einem lieben Menschen oder ein Blumenstrauß für sich selbst.

Von Paula Konersmann (KNA)