Die katholische Kirche in Deutschland behält das bestehende System der freiwilligen Entschädigungszahlungen für Missbrauchsopfer bei.
Wiesbaden – Die katholische Kirche in Deutschland behält das bestehende System der freiwilligen Entschädigungszahlungen für Missbrauchsopfer bei. Es sehe bereits jetzt vor, dass sich die individuellen Zahlungen „am oberen Bereich“ der durch staatliche Gerichte zuerkannten Schmerzensgelder orientierten, sagte der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Bischof Georg Bätzing, am Donnerstag zum Abschluss der Herbstvollversammlung der Bischöfe in Wiesbaden.
Daher finde das – Aufsehen erregende – Urteil des Landgerichts Köln bereits jetzt „in vergleichbaren Fällen Berücksichtigung im Anerkennungsverfahren“. Dies gelte sowohl für neue und laufende als auch für bereits beschiedene Anträge, wenn Betroffene einen Antrag auf erneute Prüfung stellten.
In dem inzwischen rechtskräftigen Urteil hatte das Kölner Landgericht dem missbrauchten früheren Ministranten Georg Menne die bislang höchste derartige Schmerzensgeldsumme von 300.000 Euro zugesprochen. Die Kirche hatte Menne nur 25.000 Euro in Anerkennung des Leids gezahlt.
Die Bischöfe erwarteten nun mit Blick auf das Kölner Urteil und weitere anhängige Zivilverfahren eine „deutliche Dynamisierung der Bescheidhöhen“ durch die zuständige Unabhängige Kommission für Anerkennungsleistungen (UKA), sagte Bätzing. Deshalb sei die Vollversammlung Vorschlägen des Betroffenenbeirates der Bischofskonferenz nach einem „Systemwechsel“ beim Entschädigungsverfahren nicht gefolgt, so der Limburger Bischof. Es gehe den Bischöfen auch darum, die Unabhängigkeit der UKA zu betonen.
Vor knapp zwei Wochen hatte der Betroffenenbeirat die Bischöfe aufgefordert, das Entschädigungssystem bei der Herbstvollversammlung zu reformieren. Sie müssten Rahmenbedingungen schaffen, die Zivilklagen von Betroffenen unnötig machten. An die Stelle der bisherigen individuellen Anerkennungsprüfung solle künftig die Einordnung in drei tatorientierte Grundpauschalen durch die Unabhängige Kommission zur Anerkennung des Leids (UKA) erfolgen, so der Betroffenenbeirat.
Das Urteil im Kölner Zivilverfahren war möglich, weil das Erzbistum Köln für den strafrechtlich eigentlich verjährten Fall erstens auf die Einrede der Verjährung verzichtet und zweitens das Gericht die sogenannte Amtshaftung bejaht hatte, also eine zivilrechtliche Haftung der Diözesen für das Tun ihrer Beschäftigten.
Bätzing verwies zudem auf die „niedrigen Hürden“ und die Flexibilität des UKA-Verfahrens. Es setze „nicht voraus, dass der sexuelle Missbrauch voll bewiesen ist“, betonte er. Es genüge, dass Betroffene ihren Fall „plausibel“ vortrügen. „Die Betroffenen müssen also – anders als in Zivilprozessen – keinen Beweis antreten“, so Bätzing. Das Verfahren zur Anerkennung des Leids sei damit schneller und niederschwelliger. Bis zum 31. August 2023 seien insgesamt 2.419 Anträge eingegangen, von denen 2.198 beschieden worden seien. Das Verfahren zur Anerkennung des Leides kenne zudem weder Anwaltszwang noch Ermittlungs- oder Gerichtskosten. Betroffene trügen damit – anders als in einem Zivilprozess – kein Kostenrisiko. Daher werde das Anerkennungsverfahren beibehalten.