Missbrauch im Bistum Münster wird wissenschaftlich untersucht

Das Bistum Münster lässt Missbrauchsfälle in seinem Bereich von Wissenschaftlern untersuchen. Das auf zweieinhalb Jahre angelegte Forschungsprojekt beginnt am 1. Oktober, wie die Universität Münster am Donnerstag mitteilte. Dort soll sich ein fünfköpfiges Team mit den Fällen von sexuellem Missbrauch durch Priester und andere kirchliche Amtsträger zwischen 1945 und 2018 befassen. Die Diözese stellt dafür rund 1,3 Millionen Euro zur Verfügung.

Prof. Dr. Thomas Großbölting und der Generalvikar des Bistums Münster, Dr. Klaus Winterkamp
(Foto: WWU/Münsterview/Tronquet)

Generalvikar Klaus Winterkamp sicherte den Wissenschaftlern “maximale Unabhängigkeit” zu. Sie hätten direkten Zugang zu allen Archiven sowie zu Personal- und Sachakten. “Es ist in unserem Interesse, die schrecklichen Taten des Missbrauchs von einer vollkommen unabhängigen Institution aufarbeiten zu lassen”, sagte er. Der Wunsch der Betroffenen nach Aufklärung sei mehr als nachvollziehbar.

“Wenn ich auch nur den Hauch eines Zweifels an der Unabhängigkeit meines Teams hätte, hätte ich dieses Projekt nicht angenommen”, sagte Studienleiter Thomas Großbölting. Der Inhaber des Lehrstuhls für Neuere und Neueste Geschichte kündigte an: “Mit Blick auf die Täter werden wir Ross und Reiter nennen.”

Die Forscher wollen laut Großbölting anhand der Aktenauswertung nachvollziehen, wer wann im Bistum zum Thema Missbrauch kommuniziert und möglicherweise auch Hinweise vertuscht hat. Zusätzlich würden Interviews mit Betroffenen geführt, “um anhand von Einzelfällen Dynamiken des Handelns und Hintergründe aufzudecken, die Missbrauch möglich machten.” Einzelne exemplarische Fälle würden konkret aufgearbeitet und die Hintergründe offengelegt. Ein siebenköpfiger Beirat mit Vertretern von Universität, Bistum und Betroffenen wird das Projekt den Angaben zufolge begleiten und unter anderem auf die Einhaltung wissenschaftlicher und juristischer Standards achten.

Die deutschen Bischöfe hatten 2018 eine Studie zu sexuellem Missbrauch innerhalb der katholischen Kirche veröffentlicht. Sie verzeichnete im Bistum Münster mindestens 450 Betroffene und 138 beschuldigte Kleriker in den Jahren 1946 bis 2014. Dem früheren Münsteraner Bischof Reinhard Lettmann (1933-2013) wird vorgeworfen, einen verurteilten Priester versetzt und damit weitere Missbrauchstaten ermöglicht zu haben.

kna