Sollten künftig im Amazonasgebiet auch entsprechend ausgebildete Familienväter geweiht werden können, erwartet der Kirchenrechtler Thomas Schüller einen „Dominoeffekt“. Im Interview des „Spiegel“ (Samstag) sagte er: „Bischofskonferenzen aus allen Teilen der Welt, in denen ebenfalls Priestermangel herrscht, werden sagen: Was im Amazonasgebiet gilt, muss auch bei uns erlaubt sein. Deutschland gehört dazu. Für bereits geweihte Priester gilt der Beschluss übrigens nicht, für sie bleibt der Zölibat Pflicht.“
Die Amazonas-Synode im Vatikan war am Sonntag nach dreiwöchigen Beratungen zu Ende gegangen. In ihrem Schlussdokument sprachen sich die Synodenväter dafür aus, die Bischöfe sollten die Voraussetzungen dafür schaffen, dass für Gemeinden des Amazonasgebiets, die besonders unter Priestermangel leiden, auch entsprechend ausgebildete Familienväter geweiht werden können. Eine allgemeine Aufhebung des Zölibats ist damit nicht verbunden.
Bis Weihnachten wolle Papst Franziskus über die Empfehlung entscheiden, sagte Schüller. „Weil er den Bischöfen aber als erster Papst überhaupt erlaubt hat, sanktionsfrei, also ohne Tabus und Scheuklappen, über dieses Thema zu diskutieren, wird er ihr Votum verbindlich machen“, meinte der Kirchenrechtler.
„Spannend“ werde es, wenn ein dann möglicherweise verheirateter Priester aus dem Amazonasgebiet die Diözese wechseln würde, zum Beispiel nach Europa. „Das wird Auswirkungen auf die Kirche haben. Schon die ersten Berichte in den Medien über verheiratete Priester werden eine Dynamik entwickeln. Das ist der Grund, warum eine kleine Gruppe von Kirchenoberen Panik hat und die Neuerung verhindern will“, sagte Schüller dem Magazin.
Auf die Frage, ob der nächste Papst den Plan wieder kippen könne, sagte der Münsteraner Kirchenrechtler: „Ein Papst darf alles. Das Amt ist aufgebaut wie eine absolutistische Wahlmonarchie.“