Päpstliche Visite beim Kardinal in Köln sorgt für weltweites Aufsehen

Die Visitation im Erzbistum Köln sorgt weltweit für Aufsehen. Ein großes Erzbistum unter Leitung eines Kardinals wird nur selten von Rom überprüft. Das Ergebnis ist offen, doch Franziskus will genau wissen, was los ist. Päpstliche Visite beim Kardinal in Köln – Als oberster Hirte will Franziskus wissen, was am Rhein los ist.
Die Visitation im Erzbistum Köln sorgt weltweit für Aufsehen. Ein großes Erzbistum unter Leitung eines Kardinals wird nur selten von Rom überprüft. Das Ergebnis ist offen, doch Franziskus will genau wissen, was los ist. Mit der Entscheidung, zwei Visitatoren nach Köln zu schicken, verfolgt Papst Franziskus zwei Anliegen. Zum einen will er sich ein umfassendes Bild der Lage in der bekanntesten deutschen Erzdiözese machen. Zum anderen signalisiert er, dass er die Lage in Deutschland genau beobachtet und diese ihm wichtig ist.

Kardinal Rainer Maria Woelki –Foto: rwm

Die Visitation im Erzbistum Köln sorgt weltweit für Aufsehen. Ein großes Erzbistum unter Leitung eines Kardinals wird nur selten von Rom überprüft. Das Ergebnis ist offen, doch Franziskus will genau wissen, was los ist. Mit der Entscheidung, zwei Visitatoren nach Köln zu schicken, verfolgt Papst Franziskus zwei Anliegen. Zum einen will er sich ein umfassendes Bild der Lage in der bekanntesten deutschen Erzdiözese machen. Zum anderen signalisiert er, dass er die Lage in Deutschland genau beobachtet und diese ihm wichtig ist.

Es zählen nicht allein rechtliche Kategorien

Mit Kardinal Anders Arborelius von Stockholm sowie Bischof Hans van den Hende von Rotterdam schickt er zwei Vertrauensleute in das aufgewühlte Erzbistum am Rhein. Dass beide recht gut Deutsch sprechen, war ein Auswahlkriterium für das ungewöhnliche Duo. Das andere hat mit der kirchlichen Farbenlehre zu tun: Auch Arborelius trägt Kardinalsrot und ist so mit Rainer Maria Woelki hierarchisch auf Augenhöhe. Woelki ist weiterhin Erzbischof von Köln mit allen Rechten und Pflichten. Seine besondere Pflicht ist es nun, den Visitatoren alle gewünschten und relevanten Informationen zugänglich zu machen und konstruktiv mit ihnen zusammenzuarbeiten. Dabei lautet die Maxime einer solchen Untersuchung: lieber gründlich als schnell. Auch von medialem Hype werden sich die päpstlichen Prüfer nicht beeinflussen lassen. Psychologische Faktoren und menschliche Beziehungen oder Zerwürfnisse werden sie jedoch in ihrem Bericht berücksichtigen, es zählen nicht allein rechtliche Kategorien.

Arborelius und van den Hende werden sich die Zeit nehmen, die sie brauchen. Immerhin geht es um gleich vier beschuldigte hohe Geistliche: Woelki selbst, seinen früheren Generalvikar Stefan Heße sowie die Weihbischöfe Dominikus Schwaderlapp und Ansgar Puff. Außerdem geht es um zwei Problemfelder: mögliche Verstöße im Umgang mit Verdachtsfällen von Missbrauch sowie eine gestörte und konfliktgeladene seelsorgliche Lage im Bistum. Zu den Konsequenzen der Untersuchung gibt es eine ganze Palette möglicher Ergebnisse. Diese reicht von keinerlei Maßnahmen bis hin zu Rücktritten aller vier – oder gar weiterer – Verantwortlicher. Eine vom Papst angeordnete Visitation kann unterschiedliche Anlässe haben. In Deutschland gab es eine solche zuletzt im Juli 2020. Wegen anhaltender Spannungen unter den Mönchen der Abtei Maria Laach in der Eifel beauftragte die vatikanische Ordenskongregation den Eichstätter Bischof Gregor Maria Hanke sowie den Abt der Ettaler Benediktinerabtei, Barnabas Bögle, mit einer Prüfung.

Welche Bedeutung hat die Lage in Köln?

In bundesweiter Erinnerung ist noch der Besuch von Kurienkardinal Giovanni Lajolo im September 2013 in Limburg – wegen der Kontroversen um den glücklosen Bischof und Bauherrn Franz-Peter Tebartz-van Elst. Formal war dies aber keine Apostolische Visitation, wie Kurienkardinal Marc Ouellet damals eigens betonte. Gleichwohl wurde später der Paderborner Weihbischof Manfred Groote als Administrator (Übergangsleiter) eingesetzt, Tebartz reichte den Rücktritt ein. Wegen schwerer Vorwürfe von Missbrauch und Vertuschung veranlasste der Vatikan im Sommer 2020 eine Visitation im österreichischen Stift Klosterneuburg. In deren Folge wurde der frühere Zitserzienser-Abt Gregor Henckel-Donnersmarck zum Administrator bestellt. Ebenfalls um Missbrauch und Vertuschung ging es bei einer Apostolischen Visitation im März 2010 im oberbayerischen Kloster Ettal oder bei den „Legionären Christi“ ein Jahr zuvor.

Im Januar 2019 hatte Papst Franziskus den Salzburger Erzbischof Franz Lackner in die Diözese Gurk-Klagenfurt geschickt. Dort gab es massive Spannungen wegen Vorwürfen des Domkapitels zur Amtsführung des früheren Bischofs Alois Schwarz. Wegen Unregelmäßigkeiten in der Finanzverwaltung wurde im Mai 2012 das sizilianische Bistum Trapani visitiert. In der Folge entband Benedikt XVI. Bischof Francesco Micciche von seinen Amtspflichten. Theologischer Richtungsstreit kann ebenfalls Anlass für eine Überprüfung sein. So sorgte etwa eine Apostolische Visitation bei Frauenorden in den USA im Dezember 2008 für Aufsehen. Als Gründe wurden der erhebliche Rückgang der Zahl von Ordensschwestern sowie eine mitunter modernistisch-laxe Handhabung der Ordensregeln genannt. Wenn Arborelius und van den Hende dem Papst ihren Bericht vorgelegt haben, muss er entscheiden, wie er reagiert und wann. Dabei wird Franziskus vermutlich nicht nur die Lage in Köln in den Blick nehmen; er könnte mit abwägen, was seine Entscheidung für die international derzeit arg beäugte Kirche in ganz Deutschland bedeutet.

Von Roland Juchem (KNA)

Vor Vatikan-Visitation wächst der Druck auf Kardinal Woelki – Reden allein hat dem Kölner Erzbischof bisher nicht geholfen

Kardinal Woelki hat um Dialog geworben – nun schickt ihm Papst Franziskus zwei Gesandte, um die Vorgänge im Erzbistum Köln untersuchen zu lassen. Indes wird die Kritik an Woelkis Missbrauchsaufarbeitung wieder lauter.

Reden, reden, reden – wie ein Mantra wiederholte der Kölner Kardinal Rainer Maria Woelki in den vergangenen Wochen seine Bereitschaft zum Dialog. Die Wogen glätten konnte er trotzdem nicht. Wegen der nicht enden wollenden Debatte um die Missbrauchsaufarbeitung in Deutschlands mitgliederstärkster Diözese schickt Papst Franziskus nun zwei Visitatoren zur Prüfung nach Köln. Woelki begrüßte den Schritt. Seitdem der Erzbischof im März 2020 erklärte, er wolle ein von ihm in Auftrag gegebenes Missbrauchsgutachten nicht veröffentlichen lassen, weil er es für mangelhaft und nicht rechtssicher halte, kommt das Erzbistum kaum zur Ruhe. Ein zweites Gutachten – der sogenannte Gercke-Report – ist mittlerweile veröffentlicht. Er weist früheren und amtierenden Würdenträgern schwere Fehler im Umgang mit Missbrauchsfällen nach. Demnach sind unter anderem Erzbischöfe und Generalvikare Verdachtsäußerungen nicht nachgegangen und haben sich nicht um die Opfer gekümmert. Nach Vorlage des Reports boten zwei frühere Generalvikare dem Papst ihren Rücktritt an: der heutige Erzbischof von Hamburg, Stefan Heße, und der Kölner Weihbischof Dominikus Schwaderlapp.

Kritiker sehen bei Woelki moralisches Versagen

Woelki wird durch den Gercke-Report nach kirchen- und strafrechtlichen Gesichtspunkten zwar entlastet. Doch das reicht seinen Kritikern nicht. Sie sehen in mehreren Fällen ein moralisches Versagen des Erzbischofs. Zudem bemängeln sie Woelkis Handhabe der Krise – seine Kommunikationsstrategie und den Umgang mit Betroffenen. Manch einer fordert den Rücktritt des Erzbischofs. Die Beschwerden wurden in den vergangenen Wochen wieder lauter. So musste der Münsteraner Bischof Felix Genn – Dienstältester in der Kölner Kirchenprovinz – vor Kurzem erneut eine Meldung an den Vatikan machen, so wie es das Kirchenrecht vorsieht.

Dass der Unmut bis tief in die eigenen Reihen reicht, zeigt eine E-Mail, die Woelki um Pfingsten erhielt. 14 der 15 Stadt- und Kreisdechanten, also der höchsten katholischen Repräsentanten auf Stadt- und Kreisebene, beschweren sich darin über die Vorgänge um die Missbrauchsaufarbeitung. Woelkis Vorschlag: Reden. An diesem Freitag wollte sich der Kardinal mit den Dechanten treffen. Wie das Gespräch verlief – und ob es überhaupt stattfand – war zunächst nicht zu erfahren. Ein Gespräch sollte die Dinge auch in einer Düsseldorfer Kirchengemeinde wieder einrenken. Rund 140 Mitglieder von Sankt Margareta in Düsseldorf-Gerresheim hatten Woelki in einem Offenen Brief aufgefordert, eine geplante Firmung Anfang Juni nicht selbst zu spenden, sondern einem Vertreter zu übertragen. Der Grund: Sie halten den Erzbischof nicht mehr für glaubwürdig.

„Schmerzliches Gespräch“

Am Donnerstagabend traf sich Woelki mit Gemeindevertretern in Düsseldorf zur Aussprache. Empfangen wurde er von Protestierenden, die ihm Rote Karten entgegenstreckten. Am Freitag äußerte Woelki Verständnis für die Sorgen und Vorwürfe, die in dem Gespräch geäußert worden sein mussten – und warb erneut für Dialog: „Wir können Gräben nur überwinden, wenn wir miteinander reden.“ Ob er die Firmung nun persönlich halten wird, blieb offen. In der kommenden Woche solle es Klarheit geben, sagte der leitende Pfarrer Oliver Boss im WDR. Während des Termins mit Woelki sei deutlich geworden, dass die Jugendlichen im Mittelpunkt stehen müssten. Das findet auch einer der Mit-Initiatoren des Offenen Briefs, Peter Barzel. Sollte Woelki zur Firmung kommen, wollen er und seine Mitstreitenden von weiteren Aktionen absehen. Das Gespräch mit dem Kardinal sei für ihn schmerzlich gewesen, so Barzel. An den Erzbischof seien einige sehr persönliche Äußerungen herangetragen worden, auf die er nicht angemessen reagiert habe: „Er hat sich immer gerechtfertigt, dass er schon ganz viel tue und dass er seine Verantwortung wahrnehme.“

Rote Karte für Kardinal Woelki

Auf der juristischen Ebene glaube er Woelki, so Barzel – jedoch nicht auf der seelsorgerlichen Ebene: „Ich konnte nicht spüren, dass die tiefe innere Zerrissenheit bei Gläubigen in der Gemeinde ob dieser Vorfälle bei ihm ankommt.“ Der Erzbischof sei in dem Gespräch auch zum Rücktritt aufgefordert worden, was er von sich gewiesen habe. Wenn die vatikanischen Visitatoren ins Erzbistum Köln kommen, wird weiter geredet – dann führen aber andere Akteure die Gespräche. Kardinal Arborelius und Bischof van den Hende sollen auch mit Laien und Betroffenen von Missbrauch sprechen, fordern Vertreter dieser Gruppen. Der Diözesanrat der Katholiken hat die Visitatoren schon mal zur kommenden Gremiumssitzung am 16. Juni eingeladen.

„Personeller und spiritueller Neuanfang“

Positiv kommentierten auch Vertreter von katholischen Laien und Missbrauchsbetroffenen die Untersuchung durch den Vatikan. Gespräche müssten dabei auch mit Betroffenen und deren Umfeld geführt werden, forderte der Missbrauchsbeauftragte der Bundesregierung, Johannes-Wilhelm Rörig. Nur so könnte die Visitation zu einem weiteren wichtigen Schritt zu mehr Transparenz, aber auch zu mehr Befriedung zwischen der Kirche und Betroffenen werden. Mit Blick auf andere Bistümer sprach Rörig von einem möglicherweise wichtigen Impuls. Der Sprecher der Betroffeneninitiative „Eckiger Tisch“, Matthias Katsch, sprach von einer „guten Entwicklung“. Er ermutigte die Betroffenen, nun ihre Sichtweise vorzubringen, damit der Vatikan ein „vollständigeres Bild“ bekomme. Auch die Sprecherin der Reforminitiative Maria 2.0 im Rheinland hofft darauf, „dass die Visitatoren einen offenen Blick haben und alle Stimmen in diesem Bistum hören“.

Der Vorsitzende des Diözesanrats der Katholiken im Erzbistum Köln, Tim-O. Kurzbach, lud Kardinal Arborelius und Bischof van den Hende zur kommenden Sitzung des Gremiums am 16. Juni ein, um die Stimmen der Laien zu hören. „Die Anordnung der Visitation unterstreicht, dass auch in Rom verstanden wird, dass im Erzbistum Köln unter der Leitung von Kardinal Woelki der Kontakt zwischen Gemeinden und Bistumsleitung schwer geworden ist“, sagte Kurzbach. Der Diözesanrat lässt seine Zusammenarbeit mit Woelki wegen der strittigen Missbrauchsaufarbeitung seit Ende Januar ruhen. Für die Glaubenden im Erzbistum Köln und auch in Deutschland sei zu hoffen, dass möglichst bald ein „personeller und spiritueller Neuanfang“ gelinge, erklärte die Initiative „Wir sind Kirche“. Dann aber mit einer Kirchenleitung, die einen „wertschätzenden und glaubwürdigen Umgang sowohl mit den kirchlich Beschäftigten als auch mit allen Glaubenden praktiziert“.

Von Anita Hirschbeck (KNA)