Berliner Katholiken fordern: Missbrauchs-Gutachten ganz publizieren

Zu weiteren Schritten in der Aufarbeitung von sexuellem Missbrauch durch Geistliche haben 56 Katholikinnen und Katholiken den Berliner Erzbischof Heiner Koch aufgerufen.

Zu weiteren Schritten in der Aufarbeitung von sexuellem Missbrauch durch Geistliche haben 56 Katholikinnen und Katholiken den Berliner Erzbischof Heiner Koch aufgerufen. In einem am Mittwoch veröffentlichten Schreiben appellieren sie an Koch, das Ende Januar vorgestellte Gutachten „Sexueller Missbrauch an Minderjährigen durch katholische Priester, Diakone und männliche Ordensangehörige im Bereich des Erzbistums Berlin seit 1946″ vollständig zu veröffentlichten. Zudem kritisieren sie in dem auf den 19. April datierten Schreiben die „Besetzung der Gutachtenkommission mit insgesamt nur sechs Mitgliedern aus dem Diözesanrat und dem Priesterrat“.

Die Anwaltskanzlei „Redeker Sellner Dahs“ hatte das Gutachten im Auftrag des Erzbistums Berlin erarbeitet und Ende Januar vorgestellt. Das Erzbistum entschied, Details der Fälle von 61 beschuldigten Priestern, Diakonen und männlichen Ordensangehörigen und von mindestens 121 betroffenen Kindern und Jugendlichen vorerst nicht zu veröffentlichen. Dies betrifft auch die dazu gehörenden Stellungnahmen von Personalverantwortlichen, unter anderen von Koch selbst, seinem Amtsvorgänger, dem früheren Erzbischof und Kardinal Rainer Maria Woelki, der zur Zeit im Erzbistum Köln in der Kritik steht, sowie dem emeritierten Weihbischof Wolfgang Weider und dem amtierenden Weihbischof Matthias Heinrich. Damit sind 443 von 669 Seiten bislang unveröffentlicht.

Umgang mit Gutachten sei ein Rückfall

Die Unterzeichner des Briefes an Koch würdigen, der Auftrag zu dem Gutachten sei ein „erster wichtiger Schritt“. Dem müssten aber „unbedingt und zügig“ weitere folgen. Der bisherige Umgang mit dem Gutachten sei ein „Rückfall in altbekannte Verhaltensmuster“. Die Unterzeichner fordern, das vollständige Gutachten „umgehend und unter Wahrung der Betroffenenrechte zu veröffentlichen“ und die mit der Auswertung betraute Kommission „um weitere Mitglieder zu vergrößern“. Wörtlich heißt es weiter an Koch: „Nur so können Sie glaubhaft den Eindruck widerlegen, dass Sie dem Schutz der Reputation und dem Machterhalt der Institution Kirche ein größeres Gewicht beimessen als der ehrlichen Aufklärung und der Hilfe und Empathie für die Betroffenen.“

Unterzeichnet ist das Schreiben unter anderem von der früheren Berliner Ausländerbeauftragten Barbara John, dem Neurologen Martin Ebinger, den Historikern Birgit Aschmann und Dominik Geppert, den Juristen Klaus Geppert und Christoph Möllers, dem Politologen Rupert Graf Strachwitz und der Schriftstellerin Felicitas Hoppe.

kna