Soziologe Rosa kritisiert modernes Verfügbarkeitsdenken

Der Soziologe Hartmut Rosa hat dem modernen Verfügbarkeitsdenken eine Absage erteilt.
Erfurt – Der Soziologe Hartmut Rosa hat dem modernen Verfügbarkeitsdenken eine Absage erteilt. "Eine komplett verfügbar gemachte Welt ist eine tote Welt, denn es gäbe nichts mehr zu begehren und es gäbe auch kein Glück mehr, sondern es würde die lähmende Depression einkehren", sagte er am Montagabend bei einer Online-Diskussion des Katholischen Forums im Land Thüringen und des Erfurter Max-Weber-Kollegs.

–Symbolfoto: Gerd Altmann/Pixabay

Der Soziologe Hartmut Rosa hat dem modernen Verfügbarkeitsdenken eine Absage erteilt. „Eine komplett verfügbar gemachte Welt ist eine tote Welt, denn es gäbe nichts mehr zu begehren und es gäbe auch kein Glück mehr, sondern es würde die lähmende Depression einkehren“, sagte er am Montagabend bei einer Online-Diskussion des Katholischen Forums im Land Thüringen und des Erfurter Max-Weber-Kollegs.

Rosa warnte davor, „Wüstenerfahrungen“ im Leben zu verleugnen oder zu übergehen. Dazu zählten etwa Erfahrungen des Todes, des Scheiterns und der Schwäche und „der schweigenden Welt“. Die menschliche Erfahrung des radikalen Scheiterns gehöre zum Leben ebenso dazu wie „Oasenerfahrungen“. Darunter versteht er eine „entgegenkommende Regung, eine antwortende Welt“. Dies werde am besten in religiösen Metaphern auf den Punkt gebracht: „Dass da einer ist, der mich liebt, zum Beispiel. Du hast mich bei meinem Namen gerufen.“ Ob dies nun eine dies- oder jenseitige Regung sei, vermöge er gar nicht zu sagen: „Da ist etwas, das verbindet mein Innerstes mit dem umgreifenden Äußeren.“

Rosa sagte weiter: „Ich glaube, mit psychologischen oder soziologischen Mitteln zeigen zu können, dass menschliches Leben dort zu gelingen scheint und Menschen da Glück erfahren, wo es eine Art von zweiter Wertquelle gibt. Nämlich dass da noch etwas anderes ist, was spricht und eine Art von Eigensinn hat.“

Der Erfurter Professor für katholische Moraltheologie, Josef Römelt, erläuterte, der christliche Glaube versuche genau solch eine Gegenwelt und Gegenrealität in Worte zu fassen, aber schon in der Bibel werde eine „ganz schwebende Sprache“ verwendet, um die Gegenwart Gottes zu beschreiben. Unter Rückgriff auf den Kirchenlehrer Thomas von Aquin (1225-1274) erläuterte er, dass das „Unverfügbare“ in der Theologie als Gott bezeichnet werde, verbunden mit dem Glauben, dass dieser unverfügbare Gott dennoch von sich aus auf die Menschen zugehe.

Zugleich räumte er ein: „Die Hoffnungsbilder, die wir von der christlichen Theologie anbieten, erscheinen heute irgendwie blass.“ Das bekümmere, weil es eigentlich starke Bilder seien, wie etwa der Gedanke der Auferstehung. „Viele Menschen orientieren sich durch die technische und freiheitliche Gesellschaft in ihrer Handlungsausrichtung und Selbstinterpretationen an Maßstäben und Bezugspunkten, die es religiösen Bildern und Metaphern schwer machen, in irgendeiner Weise noch verständlich zu sein.“

Rosa entgegnete dem: „Ich glaube, es wäre die Aufgabe der Theologie, Gott wieder innerweltlich strahlen zu lassen, ohne ihn in das Jenseits zu schieben.“ Wie das genau gehe, wisse er aber auch nicht.