Theologin: Vorsicht des Papstes gegenüber Moskau „verheerend“

Die Osteuropa-Expertin Regina Elsner kritisiert den Umgang von Papst Franziskus mit dem russisch-orthodoxen Patriarchen Kyrill I.
Die Osteuropa-Expertin Regina Elsner kritisiert den Umgang von Papst Franziskus mit dem russisch-orthodoxen Patriarchen Kyrill I.

Papst Franziskus –Foto: © Palinchak| Dreamstime.com

Die Osteuropa-Expertin Regina Elsner kritisiert den Umgang von Papst Franziskus mit dem russisch-orthodoxen Patriarchen Kyrill I. Die Strategie des Papstes sei zu sehr von einer „Vorsicht gegenüber Moskau“ bestimmt, „um da keine Schäden anzurichten“, sagte die Theologin am Donnerstag im Interview der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA). „Das ist in einer so eindeutig zu bestimmenden Kriegslage aber verheerend.“

Theologin fordert vom Papst stärkere Solidarisierung mit den Menschen in der Ukraine

Das Vorgehen stärke den Aggressor und seine Strategie, ohne ihm konkrete Schritte zum Ende des Krieges und zum Eingestehen der eigenen Schuld abzuverlangen, so Elsner. Franziskus äußere sich zwar immer deutlicher zum Krieg, je länger dieser andauere. Aber „die Verantwortung Russlands und vor allem auch die Verantwortung des Moskauer Patriarchen wird nach wie vor nicht deutlich in den Worten des Papstes.“ Sie wünsche sich von Franziskus vor allem eine stärkere Solidarisierung mit den Menschen in der Ukraine sowie klare Aussagen zu ihrem selbstlosen Kampf für europäische, christliche Werte und zu ihrem Recht auf Selbstbestimmung.

„Ein Besuch des Papstes in Kiew, an den zerstörten Kirchen, wäre natürlich ein besonders starkes Zeichen“, so die Expertin des Zentrums für Osteuropa- und internationale Studien (ZOiS) in Berlin. Dieser müsste aber von klaren Aussagen begleitet sein, um nicht ebenso missbraucht zu werden. In den vergangenen Jahren habe die kirchliche Rücksichtnahme auf Moskau einen solchen Besuch immer verhindert. Elsner sprach sich für ein Videogespräch des Papstes mit den Oberhäuptern der beiden orthodoxen Kirchen der Ukraine aus.

Austausch mit Kyrill

Franziskus hatte sich am Mittwoch per Videoschalte mit dem russisch-orthodoxen Patriarch Kyrill I. über die Lage in der Ukraine ausgetauscht. Laut Vatikangaben ging es dabei um den Krieg und die „Rolle der Christen und ihrer Seelsorger“. Diese müssten alles tun, „damit der Frieden sich durchsetzt“. Der Papst wurde mit den Worten zitiert: „Diejenigen, die die Rechnung für den Krieg bezahlen, sind Menschen, es sind die russischen Soldaten und es sind die Menschen, die bombardiert werden und sterben.“

Laut Elsner instrumentalisierte das Moskauer Patriarchat das Videotelefonat mit dem Papst für seine Zwecke und stellte ihn der russischen Öffentlichkeit als Partner der eigenen Kirche dar. Ähnlich habe man jüngst auch Gespräche mit dem Vatikanbotschafter in Moskau und dem anglikanischen Primas Justin Welby genutzt. „Solche Nachrichten werden dankbar verwendet, während der Krieg in der Ukraine und die Appelle der eigenen ukrainischen Kirche nicht vorkommen“, erklärte sie. „Es gehört zur Kriegspropaganda, dass Nachrichten verstellt, verkürzt oder aufgeblasen werden.“

Nicht dröhnendes Schweigen, sondern aktive Legitimierung

Kyrill I. stehe ganz zum russischen Krieg gegen die Ukraine, so Elsner. Während in der ersten Kriegswoche das Auftreten des russisch-orthodoxen Kirchenoberhaupts noch mit dem politischen Druck habe erklärt werden können, müssten „die aktuellen Äußerungen des Moskauer Patriarchats als eindeutige Unterstützung des Krieges gesehen werden“. Es handele sich jetzt nicht mehr um ein dröhnendes Schweigen sondern um eine aktive Legitimierung und um eine gezielte, proaktive Informationspolitik.

Elsner ist Beraterin der Ökumenekommission der katholischen Deutschen Bischofskonferenz. Am Zentrum für Osteuropa- und internationale Studien (ZOiS) in Berlin beschäftigt sie sich mit den orthodoxen Kirchen in Osteuropa – mit einem besonderen Schwerpunkt auf der Friedens- und Konfliktethik.

kna