Vor dem Amtsgericht Mülheim an der Ruhr ist am 9. Mai ein 73-jähriger Priester wegen des sexuellen Missbrauchs eines Minderjährigen zu einer Haftstrafe von drei Monaten verurteilt worden.

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Mülheim – Vor dem Amtsgericht Mülheim an der Ruhr ist am 9. Mai ein 73-jähriger Priester wegen des sexuellen Missbrauchs eines Minderjährigen zu einer Haftstrafe von drei Monaten verurteilt worden. Die Haftstrafe wurde auf drei Jahre zur Bewährung ausgesetzt und mit einer Geldauflage von 1.000 Euro verbunden. Den Betrag muss der Priester an die Mülheimer Bewährungshilfe überweisen. Das die Haftstrafe nicht höher ausfiel, möglich wäre eine Haftstrafe von bis zu fünf Jahren gewesen, begründete die Richter mit der bisher straffreien Lebensführung des Priesters.
Bistum Essen war auf den Fall des Priesters aufmerksam geworden
Die Tat, die jetzt zur Verurteilung des Priesters geführt hat, ereignete sich im Juni 2018. Das Bistum war durch den Hinweis eines „besorgten Katholiken“ auf den Fall aufmerksam geworden und hatte Strafanzeige gegen den Priester erstattet. Allerdings hatte das Bistum den Priester erst im November 2021 vom Dienst suspendiert, nach dem die Staatsanwaltschaft das Verfahren gegen ihn eröffnet hatte.
Der Priester hatte 2018 mit einem 17-jährigen Jugendlichen mehrfach sexuellen Kontakt, den er im März 2018 über eine Online-Kontaktbörse für schwule Männer kennengelernt hatte. Der heute 21-jährige Mann, der einen Monat nach dem fraglichen Sexualkontakt seinen 18. Geburtstag gefeiert hatte, bezeichnet seine inzwischen beendete Beziehung zu dem katholischen Priester als „eine freundschaftliche Affäre“, die er freiwillig eingegangen sei.
Die Beweisaufnahme des Gerichts gestaltete sich schwierig, da sich der 21-jährige Mann immer wieder auf Erinnerungslücken berief und viele Fragen der Richterin und der Anwälte nur ausweichend mit einem „vermutlich“ statt mit einem klaren Ja oder Nein beantwortet hatte. Letztlich konnte der heute 21-jährige Zeuge sich nicht genau daran erinnern, wann er zum ersten Mal mit dem Priester über sein Alter gesprochen hatte.
Chat-Verlauf dokumentierte Sexualkontakte
Allerdings belegte der nach einer Hausdurchsuchung dem Gericht vorliegende Chat-Verlauf, dass der jetzt verurteilte Priester, den damals 17-Jährigen Mann mit „Taschengeld“ und Geschenken für den gemeinsamen Sex hatte zukommen lassen. Der Chatverlauf dokumentierte drei weitere Sexualkontakte mit dem bis zum Juli 2018 17 Jahre jungen Mann. Aber nur in einem Fall konnte das Gericht am Ende auf der Grundlage des Chat-Verlaufs stichhaltig beweisen, dass der Priester wissentlich Sex mit einem Unter-18-Jährigen gehabt hatte.
Auch eine weitere Anklage wegen des Besitzes jugendpornografischer Fotos und Videos wurde fallengelassen. Obwohl die Polizei bei einer Hausdurchsuchung entsprechendes Material auf dem Notebook und dem Smartphone des Priesters sichergestellt hatte, konnte ein vom Gericht in Auftrag gegebenes EDV-technisches Gutachten nicht einwandfrei nachweisen, ob der Priester das strafrechtlich relevante Material wissentlich und eigenehändig aus dem Internet heruntergeladen hatte.
Der Anwalt des jetzt verurteilten Priesters hatte für seinen Mandanten einen Freispruch gefordert. Er begründete dies mit den Aussagen des Zeugen vor Gericht. Sie zeigten, so der Anwalt, eindeutig, dass die sexuelle Beziehung zwischen dem Priester dem damals noch 17-jährigen Mann auf Freiwilligkeit und Gegenseitigkeit beruht habe. Auch, dass der Priester dem jungen Mann Geld und Geschenke habe zukommen lassen, wollte er nicht als einen Lohn für sexuelle Dienstleistungen, sondern als freundschaftliche Unterstützung des Zeugen bewertet sehen.
Richterin hält Freiheitsstrafe für angemessen
Doch dieser Auffassung folgten Staatsanwaltschaft und Gericht aufgrund des vorliegenden Chat-Verlaufs nicht. Sie sahen zumindest eine „finanzielle Mit-Motivation“ für die sexuelle Beziehung und wiesen darauf hin, dass in dem vorliegenden Chat-Verlauf sexuelle Handlungen mit „Taschengeld/TG“ in Verbindung gebracht worden seien. Der Priester, der vor Gericht seinen Anwalt für sich sprechen ließ, betonte in seinem letzten Wort vor der Urteilsverkündung: „Nach meiner Einschätzung bin ich kein Missbrauchstäter.“
Die Richterin hob in ihrer Urteilsbegründung hervor, dass sie eine Freiheitsstrafe für angemessen halte, weil der Schutz der sexuellen Selbstbestimmung für den Rechtsstaat ein besonders hohes Gut sei. Da der Priester gegen das Urteil keine Rechtsmittel einlegen will, kann es zeitnah rechtskräftig werden und damit den Weg für ein kirchenrechtliches Verfahren gegen den Priester freimachen. Der Priester bleibt auf jeden Fall bis zum Abschluss des kirchenrechtlichen Verfahrens von seinem Amt suspendiert.