Ethikratsvorsitzende: “Weniger Lust an der Empörung”

Weniger Lust an der Empörung – dieser Appell kommt zum Beginn des neuen Jahres von der Vorsitzenden des Deutschen Ethikrats, Alena Buyx.
Hamburg – Weniger Lust an der Empörung - dieser Appell kommt zum Beginn des neuen Jahres von der Vorsitzenden des Deutschen Ethikrats, Alena Buyx.

Alena Buyx –Foto: © Deutscher Ethikrat/Reiner Zensen

Weniger Lust an der Empörung – dieser Appell kommt zum Beginn des neuen Jahres von der Vorsitzenden des Deutschen Ethikrats, Alena Buyx. “Wir sollten in den öffentlichen Diskussionen viel mehr betonen, was uns verbindet”, sagte sie im Interview bei Zeit Online am Sonntag. In dieser Hinsicht wünsche sie sich auch von den Medien “ein bisschen mehr Verantwortungsgefühl und Blick auf das große Ganze”. So müsse “vielleicht noch stärker in den Blick genommen werden, dass es direkt zur Polarisierung beiträgt, wenn Aussagen zu sehr pointieren und verkürzen”.

Die öffentliche Diskussion sei “nachweislich ruppiger, gereizter und polarisierter geworden”, so die Ethikratsvorsitzende weiter. “Unsere Gesellschaft hat ständig über das beste Verhältnis zwischen Freiheit und Gesundheit diskutiert”, sagte sie im Hinblick auf die Corona-Pandemie. Trotz dieser Belastung sei ihre Einschätzung, “dass wir das insgesamt als Gesellschaft, als Land ernsthaft getan haben”.

Das “Gerede” von einer gespaltenen Gesellschaft halte sie für “Quatsch”, betonte Buyx. Es gebe “Spaltungsphänomene”, aber keine “monolithischen Blöcke in der Gesellschaft, die sich gegenüberstehen”. Der Ethikrat habe stets dazu aufgerufen, den Menschen zu sehen, Andersdenkende nicht abzulehnen, sondern nachzufragen. “Das klingt so Eitschi-beitschi, nach frommem Wunsch, aber es ist essenziell. Und auch Aufgabe der Politik.”

Auf die Frage, ob für diejenigen, die besonders unter der Pandemie gelitten haben, genug getan wurde, sagt die Medizinethikerin: “Da gab es Defizite.” Ein Beispiel sei die Isolation Hochbetagter in den Pflegeheimen in den frühen Lockdowns gewesen. “Das waren teils echte Menschenrechtsverletzungen”, so Buyx. Ein weiteres Beispiel seien die Kinder, Jugendlichen und jungen Erwachsenen, die man nicht genügend in den Fokus genommen habe, die aber “wahnsinnig belastet” waren, “durch die Maßnahmen und durch die krisenhafte Erfahrung als solche”.

Grundsätzlich gehörten Eigenverantwortung und Solidarität zusammen, mahnte die Expertin. In den Sozialen Medien verkämen diese Begriffe “fast zu einer Art Karikatur: Wenn du für Eigenverantwortung bist, gehörst du zu denen, die Masken ablehnen und keinen Bock auf gar nichts mehr haben. Und wenn du für Solidarität bist, giltst du als hyperängstlicher No-Covid-Vertreter.” Dabei gehe es in einer lebendigen Demokratie um “eigenverantwortliche Solidarität”.