Hilfswerke gegen „Zeitenwende“ in der Entwicklungspolitik

Die kirchlichen Hilfswerke Misereor und Brot für die Welt sprechen sich gegen eine “Zeitenwende” auch in der Entwicklungspolitik aus.
Bonn – Die kirchlichen Hilfswerke Misereor und Brot für die Welt sprechen sich gegen eine "Zeitenwende" auch in der Entwicklungspolitik aus. Es sei selbst angesichts des Krieges und anderer aktueller Krisen der falsche Weg, alles an sicherheitspolitischen Fragen auszurichten, betonten beide Werke am Montagabend bei ihrem ökumenischen Neujahrsempfang in Bonn.

Unter der Leitung des Seminarleiters David Owedraogo erlernen die Farmerinnen des Workshops das Anlegen eines Gemüsebeetes, sowie neue Anbautechniken. Eine Teilnehmerin des Workshops bearbeitet mit einer Hacke die vertrocknete Bodenschicht. –Foto: Christoph Püschner/Brot für die Welt

Die kirchlichen Hilfswerke Misereor und Brot für die Welt sprechen sich gegen eine “Zeitenwende” auch in der Entwicklungspolitik aus. Es sei selbst angesichts des Krieges und anderer aktueller Krisen der falsche Weg, alles an sicherheitspolitischen Fragen auszurichten, betonten beide Werke am Montagabend bei ihrem ökumenischen Neujahrsempfang in Bonn.

“Die Entwicklungspolitik wäre gut beraten, der Militarisierung der Außenpolitik, aber auch ihrer eigenen ‘Versicherheitlichung’ entgegenzutreten”, forderte Klaus Seitz, der Leiter der Abteilung Politik beim evangelischen Hilfswerk Brot für die Welt.

Entwicklungspolitik müsse weiter langfristig denken und arbeiten. Nur so könne sie helfen, Hunger und Armut zu überwinden, Menschenrechte zu verwirklichen, benachteiligte Bevölkerungsgruppen zu stärken und diesen Menschen wirtschaftliche und politische Mitwirkung zu erstreiten, so Seitz weiter: “Dafür braucht es keine sicherheitspolitische Begründung.”

Im Gegenteil, warnte er weiter, dürfe die aktuelle Verschärfung humanitärer Notlagen nicht dazu verleiten, die tieferen Wurzeln der Krisen aus dem Blick zu verlieren: “Kurzschlüssige Krisenreaktionen wie die Ankurbelung der Weizenproduktion auf Kosten des Boden- und Naturschutzes vernebeln nur die systemischen Ursachen der globalen Ernährungskrise und zögern die Transformation unserer Ernährungssysteme hinaus.”

Wichtig sei es, so die Hilfswerke weiter, nicht nur die aktuellen drei Cs “Covid, Climate Change and Conflicts” (Corona, Klimawandel und Konflikte) als Haupttreiber von Hunger und Armut anzusehen, wie es momentan im Trend liege. Das sei nur ein Teil der Wahrheit. Insgesamt sei eine wirtschaftliche Entwicklung an ihr Ende gekommen, “die auf Expansion setzt und dafür die Ausbeutung von Mensch und Natur in Kauf nimmt”.

Zu lange sei die Idee einer nachhaltigen Entwicklung mit der Illusion verbunden gewesen, es wäre möglich, das Leben der Armen zu verbessern, ohne den Lebensstandard der Reichen anzutasten, ergänzte Seitz: “Doch im Angesicht der planetarischen Grenzen wird Armutsminderung mit Reichtumsminderung einhergehen müssen.”

Der Trend gehe allerdings gerade in eine andere Richtung. Jüngste Studien zeigten, dass sich die Ungleichheit weltweit sogar noch enorm verschärft habe. Zum Beispiel habe sich die Lücke zwischen dem Einkommen der zehn Prozent reichsten Menschen gegenüber dem Einkommen der ärmeren Hälfte der Weltbevölkerung in den letzten 20 Jahren fast verdoppelt.

Zugleich seien die reichsten zehn Prozent für mehr als die Hälfte der globalen CO2-Emissionen verantwortlich. Dieser “maßlose, überhöhte ökologische Fußabdruck der Wohlhabenden” sei aber keine Basis, auf der sich eine nachhaltige Weltgesellschaft aufbauen lasse.

kna