Theologe: Wegen Porno-Zugriff nicht über Einzelne Stab brechen

Der Bonner Moraltheologe Jochen Sautermeister mahnt zu einer zurückhaltenden Bewertung der massenhaften Zugriffsversuche auf Porno-Seiten von Dienstrechnern des Erzbistums Köln.
Theologe: Wegen Porno-Zugriff nicht über Einzelne Stab brechen Der Bonner Moraltheologe Jochen Sautermeister mahnt zu einer zurückhaltenden Bewertung der massenhaften Zugriffsversuche auf Porno-Seiten von Dienstrechnern des Erzbistums Köln.

(Foto: rawpixel/pixabay)

Der Bonner Moraltheologe Jochen Sautermeister mahnt zu einer zurückhaltenden Bewertung der massenhaften Zugriffsversuche auf Porno-Seiten von Dienstrechnern des Erzbistums Köln. Man solle „vorsichtig sein, über Einzelne vorschnell den Stab zu brechen“, sagte er am Montag dem Kölner Online-Portal domradio.de. Auf Freiwilligkeit basierende Pornografie unter Erwachsenen stelle kein rechtliches Vergehen dar; sie sei durch die sozialen Medien weit verbreitet und werde kaum noch als Skandal angesehen.

Der Konsum von Pornografie ist laut Sautermeister ein breites gesellschaftliches Phänomen – auch an Arbeitsplätzen. „Wäre es daher nicht verwunderlich, wenn es unter der großen Anzahl an Mitarbeitern des Erzbistums Köln nicht aufträte?“, fragte er. Schwer verständlich sei es jedoch, wenn es sich um kirchliche Amtsträger handelt, die strenge sexualmoralische Vorstellungen von anderen einforderten, aber selbst nicht danach lebten. Damit werde „die Glaubwürdigkeit kirchlicher Autorität in Frage gestellt“.

Das Kernanliegen kirchlicher Sexualmoral sei eine verantwortlich gelebte Sexualität, so der Theologe. Die Theologie betrachte pornografische Darstellungen differenziert und habe etwa auch Produktionsbedingungen und Ausbeutungsstrukturen im Blick. Zudem stelle sich die Frage, was Pornografie für die Konsumenten bedeutet – etwa Neugier und Entspannung oder Einsamkeit und sexuelle Unreife.

Um ungesunden psychosexuellen Entwicklungen vorzubeugen, sind laut Sautermeister sexuelle Bildung und die Integration von Sexualität in die Persönlichkeit wichtige Aufgaben der Identitätsentwicklung. „Daher darf ein moralisches Sprechen über Sexualität grundsätzlich nicht zu Abspaltung oder Abwertung von Sexualität und sexuellen Bedürfnissen und Empfindungen führen“, sagte er. „Die Kölner Enthüllungen zeigen, dass man leicht der Gefahr unterliegen könnte, in eine rigorose Empörungsrhetorik zu verfallen beziehungsweise gewisse sexualmoralische Normen rigoros einschärfen zu wollen, ohne sich selbst danach richten zu müssen.“

Am Freitag war bekannt geworden, dass Dutzende Mitarbeiter des Erzbistums Köln im Juli 2022 versucht haben, auf Pornoseiten zuzugreifen – unter ihnen auch „höchstrangige Kleriker“. Der Kölner Kardinal Rainer Maria Woelki zeigte sich enttäuscht und warnte vor einer Verletzung der menschlichen Würde durch Pornografie.