Kritik an Bistümern: Vorwürfe gegen Hengsbach zu spät mitgeteilt

Die Missbrauchsvorwürfe gegen den verstorbenen Essener Kardinal Franz Hengsbach haben in der Kirche große Betroffenheit ausgelöst.
Kritik an Bistümern: Vorwürfe gegen Hengsbach zu spät mitgeteilt

Der Dom von Essen. –Foto: Nicole Cronauge | Bistum Essen

Die Missbrauchsvorwürfe gegen den verstorbenen Essener Kardinal Franz Hengsbach haben in der Kirche große Betroffenheit ausgelöst. Die Vertretung der katholischen Laien im Ruhrbistum Essen sprach am Mittwoch von einem Schock für Pfarreien und Verbände sowie einem erneut schmerzhaften Schlag ins Gesicht von Betroffenen. Zugleich kritisierte der Diözesanrat das Ruhrbistum und Hengsbachs Heimatdiözese Paderborn, die Vorwürfe gegen den Bischof und seinen Bruder Paul erst jetzt veröffentlicht zu haben.

Wieder einmal seien durch “Nicht-Handeln” Täter und Institution geschützt und sei den Opfern großes Unrecht angetan worden, so der Diözesanrat. Das Gremium begrüßte aber den Aufruf an mögliche Betroffene, sich zu melden. “Wir fordern eine lückenlose Aufklärung und Aufarbeitung der Vorwürfe”, sagte die Vorsitzende Klaudia Rudersdorf. Der amtierende Bischof Franz-Josef Overbeck nehme dies nun endlich in Angriff.

Umbenennung des Kardinal-Hengsbach-Platzes gefordert

Die katholische Reformbewegung Maria 2.0 zeigte sich erschüttert und forderte, den Kardinal-Hengsbach-Platz am Essener Dom umzubenennen und die dortige Statue des Bischofs zu entfernen. “Wir sind entsetzt, dass, obwohl die Vorwürfe schon sehr lange im Raum stehen, bis heute dazu öffentlich geschwiegen wurde”, erklärten Maria 2.0 im Bistum Essen und Maria. 2.0 Deutschland. Gefragt wird, warum die Vorwürfe gegen Hengsbach nicht Gegenstand des im Februar veröffentlichten Missbrauchsgutachtens für das Bistum Essen sind.

Auch die Katholische Arbeitnehmer-Bewegung (KAB) begrüßte die Information der Öffentlichkeit über die Vorwürfe und warnte vor einem verklärenden Personenkult um Bischöfe. Hengsbach sei als Gründerbischof des Ruhrbistums eine Symbolfigur für katholische Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer deutschlandweit gewesen. Der Verband müsse sich mit seiner Frömmigkeit auseinandersetzen. “Wir brauchen in unserer Kirche keinen vergangenheitsfixierten Ikonenkult.”

Wartung vor verklärendem Persönlichkeitskult

Das Bistum Essen und das Erzbistum Paderborn hatten am Dienstag den Missbrauchsverdacht gegen den Kardinal öffentlich gemacht. Danach beschuldigte eine Person im Oktober vergangenen Jahres den Bischof. Angaben über die Art des Übergriffs, das Geschlecht oder das Alter machte das Bistum in diesem Fall nicht und begründete dies mit dem Persönlichkeitsschutz. Nach Medienberichten handelt es sich aber offenbar um eine Frau.

Eine weitere Anschuldigung stammt aus dem Jahr 2011 und bezieht sich auf das Jahr 1954 und damit auf Hengsbachs Zeit als Weihbischof in Paderborn. Eine Frau wirft ihm und dessen Bruder Paul, einem Priester, vor, sie als 16-Jährige missbraucht zu haben. Das Erzbistum Paderborn und der Vatikan stuften den Fall als nicht plausibel ein. Im Zuge der jüngsten Nachforschungen sei die Anschuldigung aber noch einmal geprüft und jetzt als glaubwürdig bewertet worden, so das Erzbistum.

In den Personalakten sei auch aufgefallen, dass eine weitere Frau im Jahr 2010 Missbrauchsvorwürfe gegen Paul Hengsbach erhoben hatte. Auch dieser Fall sei erst als nicht greifbar eingestuft worden. Nach einer Beschwerde und erneuter Prüfung habe die Betroffene aber 2019 und noch einmal 2022 Zahlungen der Kirche in Anerkennung ihres Leids erhalten.

kna